displayer


, , , , ,

dis≠play≈er Selbstbehauptungstrategien in Spiel und Kunst Vorwort Diese Arbeit soll den Versuch darstellen, dem Bild einer strukturellen Analyse von Selbstbehauptungsstrategien, in Spielformen und Werken der bildenden Kunst, näherzukommen: mittels der […]

Erschienen

Bearbeitet

dis≠play≈er

Selbstbehauptungstrategien in Spiel und Kunst

Vorwort

Diese Arbeit soll den Versuch darstellen, dem Bild einer strukturellen Analyse von Selbstbehauptungsstrategien, in Spielformen und Werken der bildenden Kunst, näherzukommen: mittels der ›Als–Ob‹–Zirkularität. Es ist genau genommen, eine kreisende Annäherung an den Entwurf eines ludischen Kunstwerkes, ausgehend von der Idee des Spielerischen, über die Kompetenzbereiche der ›Kunst‹ und des ›Spiels‹.

„Du machst dir‘s leicht!“

Streng an konstitutive und omnipotente Regeln gebunden, jedoch gleichzeitig auch kreative Rückkopplungen erlaubend, werden Variationen von ›Spiel‹ und ›Kunst‹, als meist alltägliche Übungen wiederholt, oder im Rahmen von Hoch–Zeiten und Festen punktuell und rituell zelebriert. Alltägliche Sublimation von individuell angestautem, triebhaftem Potenzial, sind dabei ebenso wichtig im beidseitigen Wirkungsmechanismus von Kunstwerken und von Spielen, wie die kultisch–orgiastische Zelebrierung zu wiederkehrenden Zeiten, bezeugt durch zahlreiche Riten aller bekannten zivilisierten Hochkulturen.

Spiele können vorläufig als entkoppelte (im Extremfall entmaterialisierte) Miniaturen, einer allgegenwärtigen Lebenswelt, mit prinzipiell reinem Möglichkeitspotenzial und in ihrem Selbstverständnis (in ihrer inneren Logik), den dargestellten und letzendlich propagierten Mechanismen historisierter und längst musealisierter Kunstströmumgen (wie beispielsweise Fluxus, Dadaismus), als strukturell verwandt betrachtet werden. Das repetitiv und impulsiv auftretende, selbstbehauptende künstlerische Credo – welches bewußtes Werkzeug des zeitgenössischen Kunstbetriebs bis dato geworden ist – einschließlich seines Hanges zur (zumeist intellektuell und theoretisch) übersteigerten Referenzialität und Zirkelhaftigkeit, birgt offensichtlich den Modus des „Als–Ob“ in einer spielerischen Grundhaltung in sich.

Offenbare begriffliche Antagonismen wie Ernst und Illusion, Einzigartigkeit und Wiederholung, Regel und Kreativität, Fehler und Moral etc., sollen sich semantisch auch unter Zuhilfenahme sich anbietender etymologischer Prothesen, als vorläufige und dann hilfreiche Gedankenstüzen für eine konstruktive Argumentation erweisen.

Welche Schlußfolgerungen können zu einem momentanen Verständnis, für die Betrachtung potenzieller Freiräume künstlerischer Produktion einerseits und die individuellen, beziehungsweise kollektiven Freiheiten (also auch automatisierten Verpflichtungen des Konsums) zeitgenössischer Kunst andererseits, beitragen? Wie ernsthaft kann Kunst — auch unter spielerischen Aspekten betrachtet — wirken? Wirken im Sinne von Effekte hervorbringen — weniger im Sinne von codiertem Scheinen, obwohl dieses Attribut auch wesentlich sein kann. Unterliegt zudem der ästhetischen Erfahrung, ebenso die Möglichkeit zur fortwährenden hermeneutischen Wiederholung, wie es dem Spielen zugeschrieben wird? Ginge man von einer Reife, einem Zustand der Vervollkommnung aus, gäbe es dann die Möglichkeit des Erkennens eines cue, eines überlappenden Anfangs– und Endpunktes? Wann ist die ›Kunst‹ fertig, wie ein ›Spiel‹ beendet ist?

Im entsprechenden kontextuellen Resonanzraum gestellt, reichte die Initialbehauptung des „Als–Ob“ und der damit eröffneten Diskrepanz, zwischen (sprachlicher oder nicht–sprachlicher) Behauptung und Lebenswelt hinreichend aus, um eine erweiterte Erkenntnis über die akute Lage systematisch (kons– oder destruktiv) ermöglichen zu können? Welche anthropologischen, kulturellen und semantisch–logischen Voraussetzungen spielen eine Rolle, bei den jeweiligen Akteuren auf der einen Seite und Rezipienten auf der anderen? Welche ökonomischen Minimalvoraussetzungen wären notwendig für das Funktionieren von ›Spiel‹ und ›Kunst‹?

Methoden der Zweckfreiheit, der List und Täuschung, der generellen Offenheit, zudem des narrativen beziehungsweise simulativen Potentials, sollen anhand von ›Spiel‹ und ›Kunst‹, in ihrer jeweiligen Funktionsweise, analysiert werden. Selbstzweck und Repetition als wesentliche strategische Züge der spielerischer als auch künstlerischer Übung, sollen die ästhetischen, ethischen, politischen und ontologischen Möglichkeiten von Kunst als Ausdrucksform des Spiels, ansatzweise beleuchten.

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“

EINLEITUNG

Um zunächst Bausteine der Fragestellung zu umreißen, wäre es hilfreich, die für die Entwicklung der Argumentation dienlichen Begriffe und Kategorien aufzufächern. Was ist zum Beispiel mit ›Kunst‹ und was ist mit ›Spiel‹ gemeint? Was wären zunächst offensichtliche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten dieser zwei Zentralen?

Unsere klaren und einfachen Sprachspiele sind nicht Vorstudien zu einer künftigen Reglementierung der Sprache, — gleichsam erste Annäherungen, ohne Berücksichtigung der Reibung und des Luftwiderstands. Vielmehr stehen die Sprachspiele da als Vergleichsobjekte, die durch Ähnlichkeit und Unähnlichkeit ein Licht in die Verhältnisse unsrer Sprache werfen sollen.“

game/play

Kunst‹ wird als das angesehen, was einerseits bereits integrierte Künstler als Kunst und in der Funktion Kunst zu sein — also bestimmten einsehbaren recherchierbaren Regeln gemäß — anfertigen und andererseits, das diesen Kosmos umfassende und autorisierende System, bestehend aus „Kritikinstanzen – Werken – Verwertungskanälen – Beobachtungen höheren Grades“, als ›Kunst‹ in einem wohl definierten Rahmen zur Schau stellt und als Angebot anpreist. Dann ist da noch die Kunst, welche in den Sammelkästen der Museen und Archive gelagert wird. Wenig Zeitgenössisches; wie ein Zirkelschluß.

Das, was mit ›Spiel‹ gemeint ist, umfaßt einen Phänomenbereich mit Operatoren (engl.: game) sowie ein vages, spontanes, intuitives, regelobservierendes Verhalten (engl.: play) Hier vermengt sich im deutschen Spiel die semantische Unterscheidbarkeit, welche im Begriffspaar game–play, noch deutlicher erkennbar ist. Der Akzent im Englischen, zwischen „play“ und „game“, ist noch gegeben, während sich im Deutschen „Spiel“ das ludische Moment verloren zu haben scheint und der Begriff fast immer mindestens Zweifaches meinen kann, solange man ihn nicht im jeweiligen Rahmen eindeutig definiert. Aber vielleicht ist gerade, die nicht vollzogene Unterscheidung und Duldung der Ambivalenz, ein Indix für die operative Funktionsfähigkeit und inhaltliche Offenheit des Begriffs: „Spiel“ ist selbst spielerisch in seiner Funktionalität, wie es der Zufall vielleicht zufällig ist, das Schöne schön und das Rote rot etc. Die offenkundige semantische Opposition des „Spielerischen“ zum „Ernst“ entpuppt sich als gegenteilig: Gerade ein solcher Zustand benötigt vollkommene „Ernsthaftigkeit“ und „Wahrheit“; konkret in der Regelkonstitution. Damit wäre einem möglichen Mißverständnis von scheinbar kontradiktorischen Werten beispielhaft aus dem Weg gegangen.

Wenn Friedrich Schleiermacher den sprachgeschichtlich entstandenen Spielbegriff, semantisch zu eng mit dem Moment des Parteiischen, des Komischen (Seltsamen und Suspekten) verknüpft sieht (ganz im Sinne Immanuel Kants) und deshalb meidet, führt dies, für ihn, direkt zu einem Ausschlusskriterium, im Hinblick auf die Rezeption spielerischer Kunstmittel im Kultus. Für Kant ist Kunst ein freies Spiel, welches regelrecht abläuft, also konventionellen Regeln gehorcht, sich in die Mechanik der Kunstproduktion regelrecht eingeschlichen hat und aufgrund eines kulturellen Prozesses, nun allgemeine Akzeptanz genießt. Diametral entgegengesetzt, scheint hier die Vorstellung einer folgenlosen, irrealen Simulation, eines äußeren illusionären Scheins und einem Verlangen nach absolutem Ernst und vollkommener Wahrhaftigkeit ohne jegliche Fluchten und gespielten Auswegen. Im Kultus geht es um den „absoluten Ernst“ des Gottesbewusstseins, dem das „Zurückgehn auf den äußeren Schein“ im „absoluten Spiel“ diametral entgegensteht.

Können Spiele (zugleich) von Künstlern angefertigte Werkstücke sein? Also haben Spiele strukturelle Ähnlichkeiten mit Kunstwerken im weiteren Sinn, die ein systematisches Gefüge aufgrund der applizierten Regeln, automatisch als Kunst erscheinen lassen? Kann ein Spiel so wirken, als ob es ein Kunstwerk sei — und vice versa? Vielleicht werden die besonders ästhetischen Spiele automatisch dem Bereich der ›Kunst‹ zugerechnet? Künstlerische Betätigung kann als Spielform, als formale inhaltliche Disposition zum Normalzustand, also als Unterkategorie von ›Spiel‹ gesehen werden. „Der Homo Ludens, wonach der Mensch seine Fähigkeiten hauptsächlich über das Spiel entwickelt, überzeugte als Erklärungsmodell bereits bekannte Künstler wie Asger Jorn, Pablo Picasso, Joan Miró und Paul Klee sammelten im Kontext zu ihrer eigenen künstlerischen Arbeit Kinderzeichnungen. […] Kunstgeschichtlich beginnt das freie, spielerische Kunstschaffen mit dem Dadaismus. Die künstlerischen Prozesse wurden intuitiv und spontan, ohne Konzept und Regeln.“ Nicht nur der unschuldigen Sichtweise wegen, werden Spiele gerne simulativ als Archetyp von Realitätskonstrukten eingesetzt. Befreiung von utilitaristischen Positionen und Effektivitätsberechnungen, Zweckverzicht, Regression, Vereinfachung und Verkindlichung etc. sind als Treibmittel kreativen Inputs unverzichtbar — ist Spiel „Befreiung von“ oder „Freiheit zu“ etwas?

Motivation

Die Frage nach der in diesem Fall anzuwenden Methodologie schließt sich unausweichlich an: Greifen tradierte und entlehnte Analysemethoden, wie etwa aus der Film– und Narrationstheorie, in diesem Fall ebenso wirkungsvoll oder sollte die breit gefächerte Literatur zu dem Thema, nicht eher auf einen methodologisch blinden Fleck, beziehungsweise eine noch im Prozeß befindliche Methoden– und Vokabelsuche, vorsichtig hinweisen? So wie ›Spiel‹ keinen vordefinierter Ablauf, sondern einen Prozeß meint, hat auch diese Arbeit prozeßhaften Charakter. Was wäre der Unterschied zwischen einer spielenden (aus dem Modus eines spielerischen Aktes heraus entstandenen) Analyse — parallel zur eigentlichen Spielmechanik stattfindenden — und einer nicht spielenden Analyse aus einem externen Standpunkt heraus (wie dies etwas bei Filmen, Musik etc. Standard ist)? Warum überhaupt eine solche (scheinbar banale) Gegenüberstellung von ›Spiel‹ und ›Kunst‹ riskieren? Welche Resultate sind zu erwarten oder mit welchen Zwischenergebnissen könnte man weiter arbeiten?

Die Gefahr des Imports semantischer Unschärfen mittels der Begriffe ›Spiel‹ und ›Kunst‹ erzeugt ein inhaltliches Rauschen, welches die Offenheit der Begriffe widerspiegelt. Typisch für den Spielbegriff zum Beispiel ist das Changieren zwischen umgangssprachlichen und wissenschaftlichen Codierungen und der darin enthaltenen normativen Ladung. Wissenschaftliche Expertisen sind jedoch nur eine Fachsprache der Alltagssprache und insofern ist auch ihre Aussagekraft darin enthalten und daran gemessen, nur ein Ausschnitt. Die hypothetische Ordnung der Phänomene wird dominiert von philosophischen, natur–, kultur– und sozialwissenschaftlichen Fachbesetzungen und erschweren den Überblick. Beide Begriffe sind nicht unproblematisch miteinander zu vereinbaren, denn beide sind semantische Doppelbelegungen, sie unterliegen sprachlichen Verwischungen, methodologischen Verwechslungen etc. — die Frage nach der Art und Weise (dem „Wie?“) einer Analyse beider Gegenstände, ist angesichts der theoretischen Arena dieser Arbeit zentral und sollte nicht leichtfertig übergangen werden. Davor stellt sich die Frage nach der Motivation (dem „Warum?“) eines solchen Ansatzes.

›Spiel‹ und ›Kunst‹ mittels eines sprachlichen Verfahrens vergleichbar machen zu wollen, zeugt von einem diffusen Gespür für einen inneren Zusammenhalt und einer ursprünglichen Gemeinsamkeit, welche im Verlauf der Entwicklung, sich jeweils zum ›Spiel‹ oder zu der ›Kunst‹ konkretisiert haben mögen. Die völlig theoretische und abstrakte Einführung beider Stränge in dieser Arbeit, soll einer spielerischen gedanklichen Grundhaltung des Autors nicht entgegenwirken – ganz im Gegenteil. Die Thematiserung eines solchen Sujets, ist mehr Erforschung und Ausformulierung einer solchen spielerischen Grundhaltung des Denkens als ein Kontrahent dazu – eigentlich ist es eine Überprüfung. Die Dienlichkeit einer Gegenüberstellung ließe sich eventuell an den gebotenen Erkenntnismöglichkeiten messen: Spiele sollen zwanglose und unproduktive Erkenntnisse ermöglichen, Kunstwerke sollen künstlerische und philosophische Epistemologie befördern. Ist dabei spielerische beziehungsweise künstlerische Erkenntnis konträr zu wissenschaftlicher Erkenntnis zu verstehen; Wären es verschiedene Werkzeuge kategorial unterschiedlicher Qualität? Was brächten zu erwartende Einsichten eines theoretischen Vergleichs?

Um einer unintendierten ideologischen Universalisierung vorzubeugen, wäre angebracht nicht nur die scheinbaren Gemeinsamkeiten, sondern auch die Differenzen von Kunstwerken und Spielen anzusprechen. Argumente gegen eine Gleichsetzung wären, daß: “in art we might have to configure in order to be able to interpret whereas in games we have to interpret in order to be able to configure.” Ein weiterer auszumachender Unterschied wäre in der Intentionalität der Beteiligten zu suchen: Während die Zweckfreiheit als Wesensmerkmal des Spiels schnungslos unterstellt wird, genießen Kunstwerke hingegen den Ruf hintergründiger, mehrdeutiger Intentionen — neben der ebenso unterstellten Unproduktivität des Spiels im Gegensatz zum profitablen Kunstwerk, wäre dies ein fundamentaler Unterschied in der Definition. Doch zuerst soll es um die gemeinsame Schnittmenge gehen.

Als–Ob

Als Prototyp spielaffiner Betätigungen — weder als Spiel noch als Kunst formalisiert — soll der Modus des „Als–Ob“ hypothetisch konstruiert werden. Eine Situation hinsichtlich ihrer Diskrepanz zur behaupteten Modellwelt zu behaupten, bedeutet auch, sich dieser Lücke bewußt zu sein, sie gar als funktionierend, definieren zu wollen. Diese Hypothese ist nicht nur eine logische und eine ästhetische, sie ist auch eine politische Hypothese. Sie wäre deshalb auch politisch lesbar, da das Zulassen, Sanktionieren, Steuern und Kultivieren spielerischer Betätigungen, als indirektes Machtmittel Einsatz finden kann; entweder als Fremd– oder Selbstbeherrschung. Welche Rückschlüsse auf reale Möglichkeiten selbstbestimmten, autonomen Lebens, können aus der versuchten Analyse von Spiel– und Kunstprinzipien gezogen werden? Was lehren uns Kunstwerke und Spiele über Grenzen und Performativität sozialer Hierarchien und wie ließen sich Kunst– und Spielmechanismen auf ein nicht–spielerisches/unkünstlerisches Gelenk rückübertragen? In den Alltag. Welche erkenntnistheorethische Funktion spielen Automatismen, Regeln, Kreativität, Schein und Negationen in ›Spiel‹ und ›Kunst‹? Für wen eingentlich?

Selbstbehauptung wirkt als Automatismus, welcher im Extremfall auch ohne subjektive, spontane und kontextabhängige Einflußnahme eines Spielers auskommt. Sobald die Rolle des Spielers besetzt ist, kann das Programm ablaufen und der Spieler wird mit anderen Operatoren funktional gleichgesetzt, vereinnahmt und in einem Sinne auch negiert. Aus der Position eines externen Nicht–Spielers, wäre ein „Spieler“ gar nicht mehr eindeutig erkennbar. Glücksspiele (aleatische Systeme) offenbaren dies vielleicht deutlich. Es kann aber behauptet werden, daß eine generelle Ersetzbarkeit auf alle Spiele zutrifft, auch auf jene in denen die Spielerentscheidung, die Handlungen zunächst auf einen individuellen Spieler und seine Persönlichkeit etc. angewiesen ist.

Professionelle Deformation

Naive und organische Spiele, welche aus einem Vor–Spiel heraus sich selbst ihre Regeln erschufen, stellen sich artifiziellen Spielen und ihren vorkonstruierten Mechaniken entgegen. Dem Verlust der Unschuld im Spielerischen (play), weicht eine Betonung der Regelhaftigkeit (game). Hier stehen sich geordnete, dozierte und kondizionierte Utopien und das Ideal eines Anarchismus (der im Spielbetrieb auch simulativ geübt wird) konfrontativ gegenüber. Historisch gewachsene Spielformen sind das Substrat (aber auch die logische Konkretisierung und Professionalisierung) zeitgenössischer Spielformen. Der propagierten Naivität und Unschuldigkeit, steht natürlich ein sehr starkes, kulturell gefärbtes Gerüst entgegen, welches in der Konsequenz keineswegs vor Professionalisierung oder kapitalistischer Aushöhlung ausgenommen ist. Die Zweckfreiheit des Spiels (›Spiel‹ um des Spielens wegen) wird erst sekundär mit codiertem Sinn gefüllt. Die postulierte Autonomie eines individuellen Kunstwerkes mittels vorhandener allgemeingültiger Regeln hingegen, ermöglicht eine Rückkopplung des genutzten Effektes auf die Allgemeinheit aller ›Kunst‹ — ja, auf die Totalität des ästhetischen Urteilens? Jedem künstlerischen Produkt liegt per se schon die Frage und die Beschäftigung mit Freiheit zugrunde. Künstlerische Ausdrucksformen werden deshalb quasi stellvertretend in ihrer grundlegenden Freiheit staatlich und juristisch geschützt, sakrilisiert und gesellschaftlich zelebriert. Auf der anderen Seite wird so ›Kunst‹ zum indirekten Instrument monopolistischer Werteordnungen; zur Metapher des ultimativen Freiheitsfeldes. „Die virtuellen Aktionsräume [mancher] Spiele gestalten sich heute nur noch selten als abstrakte Spielfelder. Stattdessen verwirklichen sie sich verstärkt als virtuelle Lebens– und Erfahrungsräume, in denen die virtuellen Tätigkeiten des Spielers weniger als regelgeleitete Spielzüge auf einem virtuellen Spielfeld erscheinen, sondern als zwar begrenzte aber symbolisch bedeutsame Alltagshandlungen.“

Funktionierte Kunst in ihrer inneren Logik analog einer Form von Spielmechanismus, ließe sich folgern, ihr lägen vergleichbare intrinsische Werte inne, wie zum Beispiel rationale (logische), ästhetische und moralische Allgemeinbildung aller Beteiligten, wie sie Schiller in seiner Schrift Über die ästhetische Erziehung des Menschen etwa forderte. Intrinsische Werte wären, zum Beispiel die Fähigkeit etwas entweder intuitiv, oder als Ergebnis rationalen Erwägens, als wahr oder falsch einzustufen (grundsätzlich „gut“ oder „schlecht“ meidend, sondern eher in Kategorien wie „echt“ und „un–echt/illusorisch“). Sollten separate Gruppen von kulturell unterschiedlichen Spielbeteiligten Momente des Spiels oder der künstlerischen Position in den Werken der jeweils anderen erkennen können, so gibt es auch Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in ihren ethischen Grundwerten „wahr“ und „falsch“ betreffend, ihrer logischen Beschreibung der Welt als vernünftiges, auf Gesetzen (und Zufall) beruhendes Feld menschlicher Interaktion. Doch wenn alle das selbe Wertefundament teilen, welcher Inhalt wird mit welchen Mitteln in welchem Modus überhaupt zwischen welchen Akteuren wann und wie oft transportiert? Braucht das Spiel oder die Kunst Elemente wie Spieler per se und wenn ja, welche Funktion steht diesen innerhalb eines solchen Automatismus zu? „[…] Sie sind tatsächlich bewußt bemüht, unvorhergesehene Informationen herzustellen, das heißt, aus dem Apparat etwas herauszuholen und ins Bild zu setzen, was nicht in seinem Programm steht. Sie wissen, daß sie gegen den Apparat spielen. Aber selbst sie sind sich der Tragweite ihrer Praxis nicht bewußt: Sie wissen nicht, daß sie eine Antwort auf die Frage der Freiheit im Apparatkontext überhaupt zu geben versuchen.“

Überblicksartig soll diese Arbeit versuchen, eine Betrachtung von Argumentations– und Behauptungsstrategien von ›Kunst‹, unter dem Aspekt spielerischer Grundzüge, anzubieten. Hypothetisch sollen so den idealisierten Grundzügen zeitgenössischer Kunstproduktion ein temporäres Dispositiv gegenübergestellt werden — in der Hoffnung beide Extreme besser als komplementäre Aspekte eines einzigen Zuges (einer condition humaine) erkennbar zu machen. Die Funktionsweise von Spielen, ihre zeit–räumliche Ausdehnung, die mögliche Iteration, ihre Sequenzialität und viele änhliche Symptome mehr, erlauben eine strukturelle Nähe zu Kunstwerken zu vermuten. Mimetische Imitationen, Simulationen etc. sind Behauptungen von Modellen. Und die höchste als auch die banalste Form der Mimikry sei in diesem Fall die Selbstbehauptung.

Dies soll der Versuch einer Analogie sein.

HAUPTTEIL

arcade

Sitzt man wo, fährt man Bahn, schaut man sich in Haushalten um, so findet man überall den Drang dazu: zu Spielen. Oder anders formuliert: Zu Träumen, sich zu Bilden, zu Verlieren, temporär in etwas Hineinversetzen–Können. Und dies möglichst angenehm, also positiv ästhetisch, wenn doch schon die Wahl dazu besteht. Daß die Funktionsfähigkeit und der Genuß des Spielprinzips, maßgebend von der Gestalt des Spielzeugs abhängt, ist keine triviale Bemerkung. Denn: Ein noch so reizendes Spiel, kann nur in dem Maße (für den Menschen) genießbar sein, sowie seine physikalische Form praktisch, angenehm in der Handhabung, schön im Anblick etc. ist und keine zusätzlichen, unnötigen, ablenkenden Applikationen hat — wie ein guter Kompromiss. Die Intaktheit der inneren Struktur eines Spiels, scheint nach möglichst ästhetischen Ausformungen in der Handlungswelt zu streben. Spielzeuge können so hypothetisch, als ästhetisierte und kontextualisierte physikalische Scharniere, bestimmter geordneter Mechanismen in der Realität gesetzt werden: als Werkstücke künstlerischer Übung, als Kunstwerke.

Vom Spielerischen

Als wesentlicher Bestandteil von ›Spiel‹ ist zunächst das spielerische – also ludische – Moment zu benennen. (Nicht nur da das „spielerische“ eine sprachlich–formale Ableitung, eine Mode der Kategorie „Spiel“ ist.) Im ludischen Vorgang ist primär noch kein explizites Regelwerk vorzufinden (innerhalb des ›Spiels‹ können implizite Maximen vorherrschen), an welches sich Akteure strategisch orientieren könnten. Vielmehr ist das Spielerische, sind spielerische Routinen noch fest im Kultischen und Mythischen, noch vor–religiösen Stadium verhaftet und damit in ihrer Ausübung weder ›Spiel‹ noch ›Kunst‹, sondern die Basis für zusätzliche, spätere kulturelle Konventionen, welche sich in den Gattungen des ›Spiels‹ und der ›Kunst‹ pointiert professionalisiert haben. ›Spiel‹ und ›Kunst‹ verhalten sich dabei wie Aggregatszustände einer chemischen Zusammensetzung vergleichbar: Sie sind zwei Möglichkeiten intellektueller als auch ästhetischer Unterhaltung.

kult und kultur

Der freie Impuls kann in der künstlerischen Beschäftigung oder im Spielen, als prinzipiell richtungslos gesetzt werden, noch ohne Verwertungsanspruch und un–kanalisiert. “Play is always a ‘playing-between.’ If we say that an entity, a thing, or an event ‘is playing,’ we are formally saying only that it is not firmly fixed — neither toward a definitive goal, nor toward a one–dimensional channel of action — but that with respect to all poles it finds itself in a circling, oscillating, ambivalent state of ‘in between.’” Der ursprünglich ziellose Drang kann fokussiert und in Spielen oder in Kunstwerken gesteuert werden. Als emotionale Steigerung der Strategie im Spielerischen, kommt die Passion der Spielenden hinzu, welche ein surplus, ein Überschuß an Teilnahmebereitschaft zum Vorschein bringen läßt. In einer gewissen Betrachtungsweise sind nicht Spieler Subjekte des ›Spiels‹, sondern die Regeln. Wie Gene mittels durch ihren Bauplan selbst entworfener Körper, sich entwickeln, werden Spiele oder Kunstwerke, durch die sie bestimmenden Normen und nicht durch die Persona des Ausführenden oder Partizipienten, dominiert. Ganz gegenteilig betont zum Beispiel Jaques Henriot, daß „[…] il n‘est pas possible de construire un modèle du jeu pris en tant que structure. Le jeu est affaire de sens, non de forme“ und weiterhin „[…] je dis seulement que, si l‘on refuse de parler de consience, de capacité de joix – en un mot: de subjectivité — alors il faut du même coup renoncer á parler de jeu.“ Hier ist das Sprechen über ›Spiel‹ untrennlich mit der obligatorischen sensitiven Erfahrung eines bestimmten Subjektes verbunden. Ideal betrachtet, wäre das Maß an Spielverständnis, gleich dem Maß an Spieltätigkeit.

Dem noch unkonkreten vor–spielerischen Moment (play) kommt als katalysierendes Element eine Form der kultischen Handlung hinzu, welche zusammen die Unterlage für spezielle Formen des ›Spiels‹ und der ›Kunst‹ sind. Werden Spiele mittels kultischer Handlungen ausgedrückt, können sie als liturgische Akte aufgefaßt werden; anders herum kann Liturgie ebenso als kultisches Spiel begriffen werden. „Vor Gott ein Spiel zu treiben, ein Werk der Kunst — nicht zu schaffen, sondern zu sein, das ist das innerste Wesen der Liturgie.“ Das reine Sein reiche hier als Vorstadium der Reflexivität aus und benötige kein konstruktives Wollen, um von einem, als ultimativ definierten Metasystem (Gott), als ein ästhetisches Abbild gesehen zu werden. So gehen manche theologische Deutungen noch einen Schritt weiter. Für sie steht die Angemessenheit der Spielkategorie insofern außer Zweifel, als in der Logik ihres Konzeptes, die Religion den latenten und allgemeinen Modus des ›Spiels‹ bildet: „Nichts wäre dann lebensgemäßer an der Theologie, als wenn sie spielerisch sein könnte.“ Die konkrete spielerische Pose soll demnach eine abstrahierte religiöse Haltung darstellen. Selbstreferenzielle Strategien in Kunstwerken, können dann als post–religiöse Mechanismen gelten. Schließlich ist Gott ja schon lange tot.

Automatismen

Der Automatismus vieler Spiele steht einem Verständnis von Kreativität und Notwendigkeit der persönlichen Spielteilnahme entgegen. Welchen direkten Vorteil hätte ein Individuum durch die Teilnahme an einem Spiel? Bedarf es dieser Form der Zentrierung auf genau dieses Individuum oder ist es durch ähnliche susbstituierbar, gar entbehrlich? Gültige Spielzüge sind an Regeln gebunden, ergo nicht frei und damit ein „Nachbild unfreier Arbeit“, wie es Walter Benjamin zu formulieren wußte. Die Maxime „alles richtig“ machen zu wollen, zeugt von der Konditionierung immersiver Regelbefolgung und daran gekoppelter Belohnung. Darunter liegt die Annahme, es gebe die prinzipielle Möglichkeit eines vollständig korrekten Handelns und der Kompetenz diesen Status gemeinschaftlich, als ausgefüllt mit Wert, zu teilen. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der kontextbedingten Relevanz solchen Handelns. Repetitive, zirkuläre Aktionen und iterative Handlungen auf der einen Seite und egoistische Totalitätsansprüche sowie Alleinstellungsmerkmale sind kein natürlicher Widerspruch und ebensowenig ein Ausschlußkriterium. Absoluter Egoismus mündet schließlich in der Ersetzung und damit Relativierung des Zustandes des Endes; Perspektivisch und im absoluten Sinne hyper–kapitalistisch motiviert, kann so die Perspektive auf einen möglichen Zustand — eine Option — in ein beliebiges Ziel reinvestiert werden. Der Einsatz des propagierten Gewinns und die Reinvestition in noch unrealisierte Konstellationen, spiegelt eine mehr als neo–liberale Wertschaffungsstrategie für weitere Runden wider. Das „Ziel“ erneut als Einsatz herzunehmen ist aber deutlich zu viel und genau genommen einer Verfehlung gleich. Dieser Fall entspricht zudem einer Regeländerung, welche von allen möglichen Beteiligten konfirmiert werden müßte.

Hier schließt sich die Frage nach dem Status der Autonomie des Spiels an: ›Spiel‹ kann im Extremfall entweder als relationales Konstrukt zur Wirklichkeit begriffen (damit als rückcodierbare Matrix für entsprechende Situationen und Probleme außerhalb des Spiels) gedacht werden, oder als Phantasma, als irrationales, unverbindliches Konstrukt, ohne Intention, in der Rückübertragung nach Außen nicht zuverläßlich. Welchen Sinn sollte ein diffuser Kampfbegriff wie „Autonomie“ innerhalb der Ästhetik haben, die (per Definition) von den Beurteilungen einer Menge von Individuuen direkt abhängt und kein eigenständiger Wert per se darstellt. Ästhetik beschreibt nicht ausschließlich für menschliche Standards schöne, gefällige Muster und Objekte, sie schließt sämtliche Formen wahrnehmbarer Erscheinungen mit ein. „Autonomie“ bedient hier ein Wunschbild: Den Drang und die Sehnsucht, diese Form der Selbstbestimmung als idealer Horizont einer radikalen (ver–wurzelten) Utopie, lebendig und wach zu erhalten.

Das Spiel

Das ›Spiel‹ funktioniert als Selbstdarstellung des Spielprinzips (der Logik) und der Bewegung (der Morphologie). Es kann als hilfreiche Analyse zur Begriffsfindung in der Diskussion zeitgenössischer Kunst dienen, wobei Zweckfreiheit und Selbstrefenzialität als mögliches künstlerisches Credo blind vorausgesetzt werden. ›Kunst‹ als auch ›Spiel‹ haben keinen externen Sinn an sich (a priori), sondern deren Ergebnis kann mittels eines ästhetischen oder ethischen Codes in real Beliebiges transferiert werden.

Spielereien

Das Spielen erscheint als spontanes und kreatives Alltagsphänomen auf der einen Seite und als institutionalisierter ritueller Akt zu Hoch–Zeiten und Festen andererseits. Hier zeigt sich bereits eine Unterscheidung der Funktionsweise innnerhalb von trivialisierter Populär— und nobilitierter Hochkultur. Alltägliche Spielereien sind zumeist offen und erlauben eine hohe Frequenz an Wiederholungen der gleichen Abläufe, sowie eine fast infinite Teilnehmerzahl — Festspiele hingegen sind eingeschränkt spielbar, sie unterliegen einer reglementierten Wiederholung und limitieren die Anzahl der Spieler artifiziell. Im ersten Fall handelt es sich um ein teilnehmerbetontes, im zweiten Fall, ein zuschauerbetontes ›Spiel‹. Die Mechanik beider Spielübungen ist die selbe: Das Alltagsspiel verbleibt meist zunächst in der zirkulären Selbstbehauptung als Spiel, während das festliche ›Spiel‹ mit externem — symbolischen — Sinn beladen wurde und „Spiel“ nur noch im Namen als Rest geblieben sein mag, nicht mehr begrifflich operiert. Es wäre der Extremfall des game ohne play.

Laut der griechischen Mythologie erfanden (die) Götter das Spiel. Schon die Definition des Begriffs, kommt nicht ohne die Zuhilfenahme von konstruierten Metasystemen aus. Die Erfindung des Würfels zum Zweck des Spielens, soll auf den Gott Hermes zurückzuführen sein. Innerhalb dieser Narration, haben sich die Menschen nicht einmal ihr Spielzeug selbst erschaffen können. Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann. Spiele können in Funktionsspiel (Freude an der Bewegung), Informationsspiel (Lernspiel), Konstruktionsspiel (Elemente der Anordnung) und Illusionsspiel („Als–ob“–Spiel) gegliedert werden. Zudem können sie systematisch in Kinder– und Erwachsenenspiele, Spielschauen, Televisionsspiele (aktiv wie passiv) und viele weitere unterteilt werden — eine ähnliche funktionelle Fragmentierung findet auch im Bereich der Künste statt: Kunsthandwerk, Auftragskunst sowie bildende und darstellende Kunst und so weiter. Explizite (bewußter gemachte) und nicht explizite Spiele (sozial unbewußte, eingelassene, eingeschlichene) wie Versteigerungen, soziale Interaktion, Arbeits– und Hierarchiesituationen, Rollenspiele mittels Abzeichen, Anzügen etc.) sind verschränkt und können nicht isoliert analysiert werden.

Menschliche Spiele

Nach Roger Caillois zeichnet sich jedes Spiel durch folgende Elemente aus: Regeln (das explizite Regelwerk, aber auch implizite Regeln der Spielmechanik), die Spielwelt (ein materielles/semiotisches System) und das Gameplay (die Ereignisse, welche sich aus der Anwendung der Regeln auf die Spielwelt und die Aktionen der Spieler ergeben). Zudem hat er im 1958 erschienenen Werk Die Spiele und die Menschen sechs fundamentale Regeln eines Spiels definiert: die freiwillige Zusammenkunft der Spieler, Spielen sei unproduktiv, ein räumlich und zeitlich begrenztes Ereignis sowie ein durch Regelwerk festgelegter Ablauf. Auch Johan Huizinga konstatiert in seinem epochalen Werk Homo Ludens: „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“ Caillois distinguiert als Grundlagen des Spiels vier Typen: agôn (Wettkampf, messbare Resultate), alea (Zufall, Chance), illinx (Rausch, Schein, Schwindel) und mimikry (Maskierung, Simulation).

Entscheidungen

Als was kann also „das Spielen“ zunächst begriffen werden? Als eine absolut freie, nutzlose Tätigkeit zum Zeitvertreib einerseits oder als professionalisierte Berufsausübung, als gepuffertes Metasystem sozialer Interaktion andererseits? ›Spiel‹ kann als Selbstbewegung innerhalb von Freiräumen und selbstregulierenden Vernunft, quasi als Selbstdisziplinierung (von etwas) gedacht werden. Spielen kann auch, als dem kapitalistischen Duktus entzogenes, Parasystem dienen. Das Spielergebnis fungiert als pars pro toto — es steht als stützende Chiffre zur Verfügung, denn die Möglichkeit der Transponation ist sowohl vorgesehen als auch möglich. Das partikulare Ziel eines Spiels ist austauschbar, da es symbolisch bewertet werten kann. Es ist ein Symbol, welches aus dem Spiel heraus in die es umschließende Metawelt transferiert werden kann — innerhalb des Spielgefüges kann nicht von einem Symbol gesprochen werden, es hat (wenn auch konstruierte) Realität inne. Die postulierte Zweckfreiheit des Spiels sollte jedoch nicht mit einem kompletten Fehlen von Sinn identifiziert werden: Die Grundlosigkeit und Selbstbegründung sind, an sich in gleichem Maße, rational verständliche Phänomene. In solchen spielerischen Lebensweltsimulationen können tätigkeitsbezogene Urteile (in Form von rezeptiven Effekten) interaktiv gewonnen werden; spielerische Posen verweisen dabei auf metaphysische Haltungen. Grundsätzlich ist es ja nicht so, daß die Entscheidungs– und Handlungsmöglichkeiten des Spielers mittels der Spielregeln gesetzt und bestimmt werden. Alle (die Spielweltmechanik erlaubenden) Bewegungen sind prinzipiell möglich, deren Wirksamkeit oder Legitimität kann je nach Gültigkeit der Konventionen differieren. Sie wären — einer Anamorphose verwandt — von der Wahl des Standpunktes abhängig, von der Positionierung. Die „identische“ Handlung kann in einem Zusammenhang „richtig“ oder „erfolgreich“ sein und in einem anderen nicht (mehr). Die Ignorierung, Belohnung, beziehungsweise Sanktionierung ist im Prinzip von der jeweiligen Handlung abgelöst und triggert nur unter bestimmten Voraussetzungen Effekte. Ebenso hinterlassen Menschen hergestellte Artefakte: Die nachträgliche Kategorisierung „Kunst“ oder “Alltagsgegenstand“ etc. ist das Resultat registrierter, konstruierter und katalogisierter Beurteilungssysteme. Wäre ein Zug nicht explizit aus den ausführbaren Optionen ausgeschlossen, wäre er dann gleichzeitig auch nicht möglich? Ist das was nicht verboten ist, automatisch legal? Meist wird ein Ziel extra negativ beschrieben, d.h. es werden explizit bestimmte Handlungsoptionen sanktioniert, beziehungsweise als dem Ziel konträr, entgegengestellt. Alle anderen Optionen sind im kreativen Ausschlußverfahren auszuformulieren und werden eben weder registriert, noch katalogisiert.

Sagen

Sollte eine Regel geändert werden, kann man es noch als das selbe Spiel bezeichnen und wäre es dauerhaft als solches erkennbar und unterscheidbar? Spiele in ihrer Ornamentalik können sich historischen Veränderungen nicht entziehen: sie unterliegen wie vieles Andere auch Moden, die ihnen zugrundeliegenden logischen Strukturen verändern sich jedoch nur unwesentlich. Beim Schach ist es auch völlig irrelevant, wie die Figuren in Wirklichkeit tatsächlich aussehen, noch braucht es überhaupt materielle Spielfiguren oder ein physikalisches Spielfeld; die dem Spiel inhärenten Regeln genügen. Es kann vorkommen, daß zum Beispiel jemand ein Spiel beginnt und die Regeln während der laufenden Spielzeit geändert werden. Wie kommuniziert man die äußerlichen Regeländerungen authentisch (also unverzerrt, uninterpretiert) „in das Spiel“ hinein? Kann es mit der Syntax der normalen Sprache gelingen oder benötigt man dazu codierte Spielsprache?

Im Sinne eines universalistischen Ansatzes, sei keine bestimmte Primärprache nötig zum Verständnis und Übersetzen eines Spiels oder eines Kunstwerkes, zur mentalen Integration in jeweils persönliche Erfahrungshorizonte, sondern die generelle Sprachfähigkeit (inklusive ihrer universellen logischen Strukturen: Singular, Plural, Zeitformen, Negationen, Konditionalsätze, Konjunktive etc.) des Menschen an sich sei Bedingung der Möglichkeit des prinzipiellen Verständnisses eines Spiels oder eines Kunstwerkes innerhalb einer bestimmten Umwelt. Insbesondere die Fähigkeit eine weitere, noch unbekannte Sprache erlernen zu können. Wird bereits eine Grundsprache beherrscht (wie die Muttersprache intuitiv und un–erlernt, unbewußt verinnerlicht ist), kann jede weitere Sprache ebenso — durch Nachahmung sowohl der Primärsprache, als auch der erlernenden selbst — zur Beherrschung gebracht werden. Im ersten Fall entspräche es einer logischen, im zweiten Fall einer mophologischen Mimesis. „Hier stoßen wir auf die große Frage, die hinter allen diesen Betrachtungen steht. — Denn man könnte mir einwenden: »Du machst dir‘s leicht! Du redest von allen möglichen Sprachspielen, hast aber nirgends gesagt, was denn das Wesentliche des Sprachspiels, und also der Sprache, ist. Was allen diesen Vorgängen gemeinsam ist und sie zur Sprache, oder zu Teilen der Sprache macht. Du schenkst dir also gerade den Teil der Untersuchung, der dir selbst seinerzeit das meiste Kopfzerbrechen gemacht hat, nämlich den, die allgemeine Form des Satzes und der Sprache betreffend.« Und das ist wahr. — Statt etwas anzugeben, was allem, was wir Sprache nennen, gemeinsam ist, sage ich, es ist diesen Erscheinungen garnicht Eines gemeinsam, weswegen wir für alle das gleiche Wort verwenden, — sondern sie sind miteinander in vielen verschiedenen Weisen verwandt. Und dieser Verwandtschaft, oder dieser Verwandtschaften wegen nennen wir sie alle »Sprachen«.“ Als klassischer Zirkelschluß ist in diesem Zusammenhang auch Ludwig Wittgensteins Definitionsversuch von Sprachspiel zu verstehen, ist sie letzlich konsequent im Modus der Selbstbezüglichkeit formuliert und zusätzlich — mit Ironie überzogen — als solche zu erkennen gegeben.

Ähnlich dem Erlernen einer neuen Sprache, kann die Spieltaktik durch Beobachtung artengleicher Spiele und Deduktion von Situationen, auf ein bestimmtes Muster hin, optimiert werden. Es ist demnach möglich, aus den Spielen heraus, sowohl für zukünftige Spiele etwas zu lernen, als auch für das Darumherum. Dieses mimetische Begreifen kann auch innerhalb der laufenden Sequenz, als mögliches Vorwegnehmen von Konstellationen methodologisch angewandt werden – um beispielsweise nicht wirklich live agieren zu müssen, sondern nur so tun zu können.

Ein Spiel erfordert eine klare Abgrenzung von anderen Sinnzusammenhängen, da unter keinen Umständen die identischen Regeln gelten können. Gölten Sie, wären ›Spiel‹ und Nicht-›Spiel‹ ununterscheidbar; doch bestehen gravierende Unterschiede in der Beziehung zu– beziehungsweise untereinander. Was ein Spiel ausmacht, ist seine zeitliche und räumliche Begrenzung, als Realisation von Möglichkeitswerten, welche einen scharfen Kontrast und klare Distanzierung von seiner Meta—Physik ermöglicht. Mindestens eine Art der Unterscheidbarkeit (eine Form der Negation: „Spiel“ ist all das, was „Nicht—Spiel“ nicht ist) muß für die Definition und das Verständnis eines Spiels gegeben sein. Die Möglichkeit der prinzipiellen Unterscheidbarkeit zweier Referenzsysteme, erlaubt die Möglichkeit weiteter Induktionen: Sollte ein „Spiel“ etwas grundlegend anderes als die Wirklichkeit sein, was ist „Wirklichkeit“ dann und bedarf sie eines weiteren Metasystems um als ›„Wirklichkeit“‹ überhaupt formuliert werden zu können? Allein schon die Unterscheidung zwischen einerseits repetitiven, sich stets wiederholenden Spielen in leichten Variationen und andererseits einzigartigen Spielen mit unwiederbringbaren, noch nie dagewesenen Situationen, bedarf eines fundamentalen Weltverständnisses. „Der Gedanke von der Selbstvervollkommnung als Schöpfungsauftrag entspricht dem christlich–abendländischen Denken. Aber die Pflicht, das Beste aus sich und seinen Anlagen zu machen, lässt sich natürlich auch säkular begründen: In der Natur des Menschen ist ein Streben angelegt, besser zu werden, seine eigenen Potenziale kennenzulernen und zu nutzen. Das beweisen schon Kinder mit ihrem Drang zu Mutproben.“ Aristoteles nannte dieses Bestreben, jenes zu realisieren was man als Möglichkeit in sich erkennt, Entelechie. Eine jüdisch–christliche Vorstellung, eines einzigartigen Lebens mit anschließender tabellarischen Auswertung aller Handlungen, steht zum Beispiel einer hinduistischen Auffassung, eines stetigen Kreislaufs und Wiederkehr des ewig Gleichen, natürlich entgegen. Abhängig von einem solchen soziokulturellen Bett, hätten diese meist unbewußten Grunddispositionen der Individuuen maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung ihrer Spiele: auf das gameplay. Das Verhältnis zwischen Glück, Risiko und Chanche innerhalb vordefinierter Rahmenbedingungen bestimmt zudem die Form des Spiels: das gameplay.

Anbauten

Ludwig Wittgenstein vertrat die Auffassung, daß die Gesamtheit aller Spiele lediglich durch den (von ihm selbst geprägten) Begriff der Familienähnlichkeit miteinander verbunden ist, dass es also keine Eigenschaft gibt, die allen Spielen gemeinsam sei. „Betrachte z.B. einmal die Vorgänge, die wir »Spiele« nennen. Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiel, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen gemeinsam? — Sag nicht: »Es muß ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht ›Spiele‹ « — sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. – Denn wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften, sehen, und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau! — Schau z.B. die Brettspiele an, mit ihren mannigfachen Verwandtschaften. Nun geh zu den Kartenspielen über: hier findest du viele Entsprechungen mit jener ersten Klasse, aber viele gemeinsame Züge verschwinden, andere treten auf. Wenn wir nun zu den Ballspielen übergehen, so bleibt manches Gemeinsame erhalten, aber vieles geht verloren. — Sind sie alle ›unterhaltend‹. Vergleiche Schach mit dem Mühlfahren. Oder gibt es überall ein Gewinnen und Verlieren, oder eine Konkurrenz der Spielenden? Denk an die Patiencen. In den Ballspielen gibt es Gewinnen und Verlieren; aber wenn ein Kind den Ball an die Wand wirft und wieder auffängt, so ist dieser Zug verschwunden. Schau, welche Rolle Geschick und Glück spielen. Und wie verschieden ist Geschick im Schachspiel und Geschick im Tennisspiel. Denk nun an die Reigenspiele: Hier ist das Element der Unterhaltung, aber wie viele der anderen Charakterzüge sind verschwunden! Und so können wir durch die vielen, vielen anderen Gruppen von Spielen gehen. Ähnlichkeiten auftauchen und verschwinden sehen. Und das Ergebnis dieser Betrachtung lautet nun: Wir sehen ein kompliziertes Netz von Ähnlichkeiten, die einander übergreifen. Ähnlichkeiten im Großen und Kleinen.“ Kürzer gesagt, sind Handlungen in Spielen abhängig von Kontexten, seien sie selbst gesetzt oder bereits vorhanden.

Wenn von „Spielen“ gesprochen wird, ist damit das Bild eines Modells oder das einer Prothese der Realität gemeint? Man kann eher von einer Prothese ausgehen, da es einer Erweiterung entspricht. Begreift man Handlungen in Spielen als performative Akte, so konstituieren diese im Rückschluß auf die repräsentierte Welt, trotz aller Künstlichkeit und Ambivalenz eine zwar selbstreferentielle, aber dennoch vitale Erweiterung der Realität.

Passion

Die Motivation des Spielers (egoistisch oder nicht) läßt sich am Begriff der Passion festmachen. Passion als Leidenschaft, Hingabe aber auch als völlige Immersion während des Spiels. Die Passion ist die Grundkonstellation, welche durch bestimmte iterativ operierende Regeln katalysiert und weiterentwickelt wird. Eine Passion entwickelt sich aus dem Gefallen, dem entstehenden Spaß an der aktiven Teilnahme und passiven Beobachtung. Andererseits gibt es auch Fälle von Spielen ohne diese Art von Vergnügen oder Spaß: Dies ist der Bereich der Professionalität, welcher in noch stärkerem Maße von rationalen Modellen bestimmt wird. Berufsmäßige Spieler benötigen keine primären trigger, wie Belohnungen in Form von Fortschritten und Etappen, so wie professionelle Künstler ihren Beruf im Prinzip ohne diesen zusätzlichen Impetus ausüben können. Ihr Gewinnen ist gar nicht ihres, sondern Ihr Handeln ist ein Auftrag, eine zusätzliches Klischee. In sie wird investiert, denn sie tragen alle schöne Anzüge. Analytisch betrachtet fallen hier Ego und Rolle des Spielers auseinander. Als prinzipiell unnötiger emotionaler Überschuß von Bereitschaft und Immersionsvermögen, kann Passion auch dazu dienen, mittels Posen stilisierter Leidenschaft, eine Identifikationsstiftung auf Zuschauerseite zu provozieren und diese damit als aktive Partner miteinzubeziehen.

Ein Spiel ist stets potenziell möglich – dieser Parazustand zwischen aktiven Spielen kann zur konkreten Form initiiert und regelkonform am Laufen gehalten werden. Spielen erfordert eine gewisse Bereitschaft des Spielers (beziehungsweise auch des Zuschauenden) eine artifizielle Hürde zu überwinden, welche ein Hinweis auf eine willentliche und bewußte Teilnahme ist. Diese Grundbereitschaft kann als eine Minimalvoraussetzung für das Entstehen eines Freiraumes gelten, welcher sich je nach Disposition zum formellen Spiel beziehungsweise zum Kunstwerk prägen lassen kann. Zum reibungslosen Funktionieren ist der Aspekt der Passion dabei nicht zwingend nötig. Die Kenntnis der Regeln (beziehungsweise die Option, sich dazu aktuellen Zugang verschaffen zu können) befähigt jeden dazu, an einem bestimmten Spiel teilzunehmen; Es erfolgt keine Diskriminierung aufgrund persönlicher Umstände. Die Zugehörigkeit eines bestimmten Standes ist hier irrelevant. Ähnlich dem Zugang und dem Erleben von Kunstwerken, finden sich keine, in der Struktur der Dinge, angelegten Hindernisse einer Rezeption — diese soll maximale Reichweite haben und jedem Interessierten (im optimalen Fall kostenlos aber nicht umsonst) zugänglich gemacht werden; wie etwa in Museen und Sammlungen.

Spielsucht – also der riskante Drang, stets erneut an einem Spiel teilnehmen zu wollen und neue Konstellationen zu provozieren – kann als zu regulierendes Phänomen begriffen werden. Einerseits erfüllt die Bereitschaft zur Teilnahme die Rolle des Selbstzwecks hierin und ist in reduziertem Maße essentiell für das Zustandekommen eines Spiels; Andererseits kann eine dermaßen übersteigerte Bereitschaft zur Immersion behinderlich sein und konsequenterweise zu Sanktionen und Restriktionen führen. Letztendlich wird so die zukünftige Fähigkeit einer erneuten Teilnahme sichergestellt. „Die Kamera verlangt von ihrem Besitzer (von jenem, der von ihr besessen ist), immerfort zu knipsen, immer weitere redundante Bilder herzustellen. Diese Fotomanie der ewigen Wiederholung des Gleichen (oder sehr Ähnlichen) führt schließlich zu einem Punkt, von dem ab sich der Knipser ohne Kamera blind fühlt: Drogengewöhnung setzt ein. Der Knipser kann die Welt dann nur noch durch den Apparat und in den Fotokategorien ansehen. Er steht nicht „über“ dem Fotografieren, sondern ist von der Gier seines Apparats verschlungen, zum verlängerten Selbstauslöser seines Apparats geworden. Sein Verhalten ist automatisches Kamera–Funktionieren.“ Die zentrale Ressource wird nachhaltig vor unnötigem Verschleiß geschont; Die Quelle sämtlicher Konfigurationsmöglichkeiten ist als grundegoistisches/autistisches Verhaltensmuster automatisch schützenswert. Die rationale Funktionsfähigkeit steht dabei über dem ontologischen Wert einer eventuellen Selbstgefährdung. „Denn Apparate sind Simulationen des Denkens, Spielzeuge, die ›Denken‹ spielen; und sie simulieren die menschlichen Denkprozesse nicht etwa gemäß jenem Verständnis des Denkens, wie es der Introspektion oder den Erkenntnissen der Psychologie und Physiologie entspricht, sondern gemäß einem Denkverständnis, wie es im cartesianischen Modell entworfen ist.“ Und diesmal ist Descartes nicht der Verursacher eines absolut fehlgeleiteten Zweifels: Nicht „Ich denke, also bin ich,“, nein: “Ich zweifle, also kann es mich geben.“ Diese neue Idee der Vernunft drückt sich aus in Alfred N. Whiteheads Satz: „Es ist die Funktion der Vernunft, die Kunst des Lebens zu befördern“ anschaulich aus. Im Hinblick auf diesen Zweck, ist Vernunft „die Lenkerin des Angriffs auf die Umwelt“, der sich dem „dreifachen Impuls“ verdankt: „1. zu leben, 2. gut zu leben, 3. besser zu leben“. Es geht doch um den perfekten Unterhalt, die beste Unterhaltung. Die optionale Repetition gilt dabei als essentieller Faktor, auch im Falle einer Selbstbehauptung. Sucht ist Drang nach Wiederholung mit der Möglichkeit nicht(s) zu gewinnen, aber etwas wieder gutzumachen, wieder auf Null zu kommen. Wie ein re–set, der auch ein Widerstand sein kann. Der loop (das Erkennen eines cues und der sich wiederkehrenden Sequenzen) beinhaltet paradoxerweise das Versprechen auf Erlösung von genau diesem Zirkelsystem. Man könnte von einem regressiven Fortschritt sprechen. „Spiel ist im Begriff der Kunst das Moment, wodurch sie unmittelbar über die Unmittelbarkeit der Praxis und ihrer Zwecke erhebt. […] Im Spiel regrediert Kunst durch ihre Absage an Zweckrationalität, zugleich hinter diese.“ Laut Adorno verfällt das Spiel mit dem ›Spiel‹ (die künstlerische Betätigung) im Fall des Scheiterns, auf eine Vorstufe zum Spiel zurück, auf der es bloße Spielerei wird und keine Möglichkeit besitzt, sich im ästhetischen Schein, selbst zu transzendieren oder aufzulösen.

Wirken

Begreift man Spiele als bloßen Schein einer utopischen, regulierten, perfekten Welt, schließt sich die Frage nach der moralischen Relevanz getätigter Entscheidungen an. Die Relevanz der Rückübertragung solcher Implikationen, in eine politische und soziale Wirklichkeit, ist eine wirklich andere. In Form von Erfahrung und Reflexion eines Sinns, gerade ohne moralische Implikationen, kann ein Frei– und Resonanzraum für die Erprobung alternativer Bedeutungszusammenhänge geschaffen werden. Ganz frei nach dem Motto: Unschuldiges Lernen in Freiheit und Schönheit ohne paralleles Rationalisieren und Moralisieren ermöglichen. Der Zustand der Befreiung von ethischen Implikationen, ist einer Utopie deshalb nahe, da größtmögliche Effizienz aufrechterhalten wird, indem unnötige Prozesse freigestellt werden. Enthemmnis geht einher mit der Gefahr der Blamage, welche aber gleichzeitig als auto–aggressiver Angriff auf das System wirkt. Die Ignoranz des Spielers hinsichtlich seines Handelns ist ein Zulassen des bloßstellenden Tadelns (des Akteurs) aber gleichzeitig auch eine Schmach an das Regelwerk selbst, eine Blasphemie und Lästerung. Beides liegt etymologisch nah beieinander: das französische blâmer geht auf das lateinische blasphemare „lästern“, „schmähen“ zurück und reicht bis zum anglo–amerikanischen blame „bezichtigen“, „verantwortlich machen für“. „Eine Momentaufnahme ist die fixierte Blamage einer unvorsichtigen Bewegung, eines schiefen Lächelns, einer sorgsam versteckten Beobachtung … Plötzlich ist alles am Tage.“ Eine Dekonstruktion, oder gar Selbst–Demontage, ist nicht das Selbe wie eine Destruktion, da die Demontage den Aufbauplan rückwärts kennen muß und systematisch anwendet – lediglich in eine andere systematische Richtung. Destruktion läßt den ursprünglichen Bauplan (der als Resultat diese Ent–Scheidung provozierte/zurückgelassen hat) als sinnstiftendes Regelwerk hinter sich. Selbstbehauptung ist gleichzeitig grundlegend (essentiell) und zweifelhaft zugleich, da es die Bedingung der Möglichkeit seiner Selbst, selbst ist und gleichzeitig durch diesen Akt das Gesamtsystem in Frage stellen kann. Der epistemische Zweifel im Akt der Er–/Be–Zeugung ist in nuce.

Gerade weil Spiele durch ihre innere Logik zusammengehalten werden, sind sie perfekt in dem Sinne, daß stets valide Ergebnisse produziert werden (können). Sämtliche Situationen sind in ihrer Konstellation vorherbestimmt, auch wenn sie nicht den Anschein erwecken (wollen). Der spielerische (und interessierte) Künstler, sei also danach bestrebt, immer neue, unvorhergesehene Programme zu entdecken und diese kombinatorisch in neue informative Sachverhalte zu übersetzen. Es sei beispielsweise die Aufgabe des Fotografen (ähnlich der des Schachspielers), sich dem „ständige[n] Fluß der unbewußt erzeugten Bilder“ zu entziehen und zu versuchen, auf immer neue Weise — bewußter — zu sehen. Kein Spielzug gliche einem Entzug. Wäre ein perfektes Kunstwerk ebenso vorstellbar, wie ein perfektes Spiel? Das optimale Bild zum Beispiel wäre jenes, welches die größte Nähe zum verständlichsten Bild aufweist. Wäre die perfekte Kunst, die ver–ständlichste, also die mit dem meisten Stand, jene mit genug Anstand und grip?

Ziele

Die Prämisse eines Spiels ist (vordergründig) das ›Spiel‹ zu gewinnen. Kann dies in allen Fällen aufrechterhalten werden oder entspricht es nur einer vorverurteilteten Konvention, beziehungsweise einer Präsupposition? Nein, es reicht, es zu spielen, man muß gewiß nicht gewinnen — das wäre nur eine Option der Teilnahme. Gewinnen (lassen, können, sollen etc.) entspräche einem formellen Trick und würde die Vollkommenheit der möglichen Erfahrung künstlich limitieren. Die grundlegende Vorannahme dabei ist: Erstens die völlige Operation, dann Kooperation und uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Spielers, dessen Authentizität und Fähigkeit zur Integration.

Das Subjekt kann allenfalls mitspielen und im Entdecken von Lücken, Brüchen, Rissen oder ähnlich Metaphorischem, stets vorläufige und ambiguitäre Deutungsgewinne erzielen. Welche Möglichkeit bestünde zu überprüfen, ob diese Spalten als Teil der Narration oder als fehlerhaftes Resultat eines nicht bewußt vorgesehenen Zustandes, aufgetreten sind? „Simulation ist das hermeneutische Gegenstück zur Erzählung; der alternative Diskursmodus, bottom–up und emergent, während Geschichten top–down vorgeplant sind. In Simulationen werden Wissen und Erfahrung durch die Aktionen und Strategien des Spielers erzeugt, anstatt vom Schriftsteller oder Filmemacher nachgebildet zu werden.“ Weiterhin besteht ein Unterschied zwischen einem Rätsel und einer Lüge: Spieler können Vertrauen in „wahre Lügen“ (also Rätsel welche intakte und stabile Grundfunktionen des Spiels abbilden) entwickeln, während andere Elemente erst durch mühseliges Probieren (trial–and–error) als disfunktional, innerhalb eines ganz bestimmten Kontextes, erkannt werden können. Das trial-and-error–Verfahren kann sozusagen Spiel im ›Spiel‹ werden und als alternatives Testverfahren benutzt werden, um die Gültigkeit von Codes zu aktualisieren. Dieser Modus setzt allerdings den loop voraus. Wenn Regeln Faktizität schaffen, dann kann die Überlistung oder Windung dieser Normen innerhalb des game durch play — also durch das ludische Moment im genormten Spiel — erfolgen. Sind die hundertprozentigen Bedingungen eines Spiels nicht im Voraus bekannt, kann es daran liegen, daß das Regelwerk im Spiel selbst (also implizit und esoterisch) liegt, oder daran, daß es externalisiert einsehbar ist und exoterisch, aber innerhalb eines anderen Kontextes dennoch nicht vollkommen verständlich in seiner Bedeutung.

Ersetzungen

Ist das unfreiwillige Ausscheiden aus dem Spiel, als Fall technisch zulässig und möglich? Kann man während eines Spiels sterben? Falls ein Spieler ver–endet, bleibt es Spiel oder nicht? Welchen vorregistrierten Wert hätte eine solche „Handlung“? Könnte sie beurteilt werden? Kann der Spielbeginn (start), der Übergang hin zum Spiel, auch bemerkt werden? Ist die prinzipielle Spielteilnahme auch schon eine verurteilbare Entscheidung für den Spielverlauf – kann der Entscheidung „Teilzunehmen“ einen eigenständigen Wert zugemessen werden? Sollte das Ego des Spielers substituierbar sein (mit der Begleiterscheinung einer Separation von Person und Rolle), würde dann das Pausieren des Akteurs, gleichzeitig mit dem regulären Ende zusammenfallen können? Zählten bisherige Fortschritte und was passiert mit dem bis dato erwirtschafteten Kredit? Für wen oder was? Es wäre eine Entsorgung.

Man kann nicht im Spiel sterben (es sei denn genau jener Zustand wäre als Konstellation vorregistriert; was aber paradox wäre); während des Spielens kann die Person natürlich verenden, die Rolle bliebe intakt und könnte transpersonell besetzt werden, sofern dies dem Regelwerk nicht entgegenstünde. Der Ehrgeiz, ein Spiel gewinnen zu sollen oder zu wollen, ist für das Spiel ebensowenig entscheident, wie die Tatsache wer spielt, ob dieser erfolgreich ist etc; denn solange er einfach nur (weiter) spielt, ist alles in Ordnung, das Spiel kann stattfinden und ist in seinem (egoistischen) Sinne erfolgreich genug. Eine Ersetzung von Parametern im Spiel, ist im selben Moment eine Neudefinition, welche in Konsequenz zu einer selbstbehauptender Aussage führen kann. Auch eine Verdrängungsleistung.

Wenn Freiheit und Nonkonformität als dominante Faktoren des Spiels gelten — also regressiv und disziplinär eine „Nötigung zum Immergleichen“ symbolisierten — könnte man dann von einem Einschleichen fremder Ideologien sprechen, welche zur langfristigen Kontrolle eingesetzt werden könnten? Vordergründig herrscht die Meinung, man werde durch das Erreichen eines bestimmten Niveaus belohnt, jedoch kann man es auch blinde Internalisierung von Handlungsimperativen nennen. Die Totalismusgefahr moderner nachindustrieller Gesellschaften ist in verbreiteten Modellen des Alltags innerlich angelegt: Mittels Repetition, Regelunterwerfung, Konditionierung, Befolgung eines austauschbaren Ziels, welches wiederrum codiert und mit einer anderen Form von Belohnung substituiert wird. Ziele sind temporär, kontextbezogen und formell austauschbar – völlig abgekoppelt von den sie hervorbringenden Mechanismen. „Das Verhältnis des Spiels zur Praxis ist komplexer als in Schillers Ästhetischer Erziehung. Während alle Kunst einst praktische Momente sublimiert, heftet sich, was Spiel ist in ihr, durch Neutralisierung von Praxis gerade an deren Bann, die Nötigung zum Immergleichen, und deutet den Gehorsam in psychologischer Ablehnung an den Todestrieb im Glück um.“ Diese Form der Umcodierung gleicht einem Einschleichen und ist de facto Teil eines beidseitigen Arrangements – was wird gewöhnlich, alltäglich? Diese Umsprungshandlung in‘s Glück soll ein Hinweis sein.

Die Kunst

Die Freiheit der Kunst, Umberto Ecos Offenheit des Kunstwerks, (ein später Nachfahre jener Spieltheorie der ästhetischen Erfahrung, wie sie Kant und Schiller vertreten haben), kann als Entsprechung zur Freiheit eines Spiels eingeführt werden.

Freie Zeit

Die politische Dimension von ›Spiel‹ zeigt sich in dessen Topos eines zu 100% Prozent geregelten Systems, eines Totalitarismus, wie ihn auch schon Schiller in einer möglichst objektiven Form, als Bund einzelner Individuuen, staatlich zu formulieren suchte. Es ist weder Utopie noch Dystopie, es ist das Verhältnis individueller Perspektiven zu einem Gemeinwohl. Spielerische Betätigungen, Spiele und freizeitlicher Genuß sind demnach — spätestens mit Einzug der Arbeitsteilung und Industrialisierung — als sinnvolles Kontrastmittel funktionell geworden. Ja, es ergibt sich sogar eine Trennung zwischen Zeit und Freizeit — und dazwischen ein Übergang. Die Verlagerung eines herstellenden zu einem sich unterhaltenden Wesen, spiegelt sich ebenso in dem Paradigmenwechsel des homo faber zum homo ludens wieder.

Die Fähigkeit zum Spielen ist abhängig von der ästhetischen Bildung aller Mitspieler. Es soll aber keine intellektuelle Bildung vonnöten sein, sondern eine humanistische: Mensch sein reicht völlig aus, um unter bestimmten Bedingungen aus der condition humaine ein Substrat für manipulierende Metakonditionierungen zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß das primäre Ziel des jeweiligen Spiels sekundär geworden ist; Die durch das Spielen erworbenen Kompetenzen beziehungsweise möglichen Praktiken, werden als Optionsmatrix über das eigentliche Ziel hinaus modelliert und durch freiwillige Wiederholungen internalisiert. Unter spieltheoretischen Prämissen betrachtet, sind Handlungsentscheidungen nicht ausschließlich bewußt, sondern erheblich von unbewußten Faktoren mitbestimmt. Folgte man Schillers Bemerkungen seiner ästhetischen Erziehung, könnten Spiele als thematisches Gegengewicht, vor der Folie der aufstrebenden Industrialisierung und kapitalistischen Arbeitsgesellschaft, eine zusätzliche Dimension und Funktion erfahren.

Doch wo bleibt die ›Kunst‹?

Durch einen mentalen emphatischen Abgleich, von subjektiv empfundener äußerer Teilnahme und der vorgestellten inneren Teilnahme, können sich Akteur und Zuschauer auf das selbe Niveau versetzen: es etabliert sich damit eine Dritte Instanz. Es gibt auch Mechaniken ohne Zuschauerfunktion, jedoch sind diese nicht wirklich speziell, da selbst der einzelne Akteur, der Zuschauer (s)einer (vergangenen) Rezeptionserfahrung sein kann. Innere und äußere Teilnahme stehen hier in einem stetig rivalisierenden Verhältnis. Die das Spiel umgebende Welt ist wie eine Reserve des Resultats; Durchaus vergleichbar mit einem chemischen Puffer. Es erfolgt keine direkte (mechanische) Rückprojektion der Ergebnisse, sondern eine Zwischenauslagerung in einen Pufferzustand. „Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Periode des Glücks sind leere Blätter in ihr.“ Und wieder stoßen wir auf das Glück. Nicht nur etabliert sich das ›Spiel‹ aus dem orientierungslosen Impuls heraus, man könnte auch sagen, die Relevanz des ›Spiels‹ an sich unterliegt einem ebensolchen omnidirektionalen Impuls.

Egalitäten

Erfordern alle Arten von Spielen einen Plan, ein a priori normiertes Regelregister oder sind freie Ausformulierungen denkbar, deren Regeln und inhaltliche Färbung, erst durch impulsive, kreative und kontinuierliche Akte in situ konstituiert werden? „Der Entwurfcharakter des Verstehens konstituiert das In–der–Welt–sein hinsichtlich der Erschlossenheit seines Da als Da eines Seinkönnens. Der Entwurf ist die existenziale Seinsverfassung des Spielraums des faktischen Seinkönnens. Und als geworfenes ist das Dasein in die Seinsart des Entwerfens geworfen. Das Entwerfen hat nichts zu tun mit einem Sichverhalten zu einem ausgedachten Plan, gemäß dem das Dasein sein Sein einrichtet, sondern als Dasein hat es sich je schon entworfen und ist, solange es ist, entwerfend.“ Eine Sprachblüte nach der anderen verworfen. Die Analogie funktioniert, wie die nach der Frage, der absoluten Automie bei einer Anweisung wie: „Du kannst alles tun, was Du willst. Es gelten keine Regeln dabei.“, welche eine implizite Regelanwendung zum Vorschein bringt. Die Möglichkeit „alles tun zu können, was man will“ erweist sich als einkanalige und hierarchische top–down Anweisung — selbst das Verweigern einer Handlung, liegt schon im Bereich einer gültigen, re–aktiven Befolgung dieser Regeln. Im Prinzip gleicht die Aussage einer komplexen und verschachtelten Narration; es ist ein Märchen, eine erzählte Sage. Ist dieser sprachliche Imperativ tatsächlich ein one-way-ticket, oder kann die Genehmigung absolut, durch konsequente Regelanwendung, umgangen werden. Einer Loslösung mittels Hingabe zur Unfreiheit gleich? Um mit Arthur Schopenhauer zu kommentieren: „Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will.“ Ziel mag sein, ein beliebiges Wollen völlig deckungsgleich innerhalb des Spiels (Wollen, was man tut.) anzustreben: völlige temporäre Immersion, sowie das Suspendieren von Zweifel an der Validität der ausgeübten Handlungen. Wissentliche und willentliche Beteiligung von Akteuren an Spielen, stehen im Gegensatz zu einer Grundeigenschaft des Spiels: Der nach völliger Immersion in die Spielwelt und absoluter Selbstgenügsamkeit als funktionierendes Spiel, als autonom stabiles System. Kann die Teilnahme an Spielen, unwissentlich geschehen (also ohne Bewußtsein des Spielers oder des Spiels als solches), oder gar gegen einen partikularen Willen bestimmt werden: Kann man Protagonisten, entgegen ihrer Selbstdefinition, zu Spielern erklären und was bedeutet dies für die Relevanz und den Wahrheitsgehalt ihrer Spielhandlungen?

Beobachtung, –disziplinierung und –kontrolle sind traditionelle agressive Herrschaftsintrumente. Setzt man ein „Selbst“ davor, können sie Methoden der positiven Beherrschung werden. Wäre Autokratie eine Vorform der Autonomie und Prävention von Absolutismen aller Art, wie Willkür, Tyrannei, Despotie, Diktatur etc.? Wer steht souverän über wem als Walter wessen ständigen Mundes?

Pause

An dieser Stelle war ursprünglich geplant, das Konzept von ›spiel/kunst‹ als Stützbegriff einzuführen, als Synonym für ein ludisches Kunstwerk. Als Skizze, sollte es einer Verschmelzung von Teilaspekten (von ›Spiel‹ und ›Kunst‹) zu einem Dritten, nachkommen.

Entsprechend zur gespannten Leinwand steht zur Frage, was der Puffer in der ›Kunst‹ sein könnte: Das geistige Abbild, das mentale Rückbild (die Nachsicht) als Zusatz zur psychologischen Verfassung des Betrachters — Losgelöst von der Anwesenheit eines Werks oder des Autors?

Das Paar ›Kunst‹ und ›Spiel‹ wirken als scheinbare Antagonisten — sie sind aber insofern auch Protagonisten, als sie eine Trennwand aufweisen müssten: Wie in einem dunklen Raum, in dessen Mitte eine Leinwand gespannt ist, auf deren Oberfläche beiderseitig, ein und der gleiche Film zum Beispiel projiziert wird und unbewußt von den Zuschauern, als verschiedener Filminhalt unterschiedlicher Nuancierung oder Bewegungsrichtung wahrgenommen wird. Die Fixierung der Beobachtung (Zuschauer–Film) ist ebenso ausschlaggebend, wie die unbewußte Kenntnis des Zuschauers darüber, mit einem Bild frontal konfrontiert zu sein, beziehungsweise es aus dem Rücken projiziert zu bekommen. Diesem „Bild“ liegt natürlich ebenso eine unausgesprochene Prämisse zugrunde: Das Wissen, oder zumindest die Ahnung, es könne ebenso ein alternatives Bild geben, einen strukturell ähnlichen Narrationsmodus. Auch in diesem Fall, kann von einer Art der Negation ausgegangen werden.

Es war einst ein Lichtspielhaus genannt worden, wo heute seelenlose, digital animierte Roboter nach längst vergessenen Schätzen suchen — selbstverständlich ind 3D!

Die Schreibweise ›spiel/kunst‹ (mit dem Schrägstrich) ist insofern als ambivalent zu verstehen, als die Linie zum einen trennt und zum anderen als Scharnier operiert, an welchem sich die daran spiegelnden Begriffe ausbalancieren können. Der Strich wirkt wie ein Hebel. Außerdem verwies die Kleinschreibung auf eine noch ungeklärte Zuordnung hin.

Nur so nebenbei.

Rivalen

Das etablierte Kunstsystem kann als Grenzerfahrung und –bestimmung benutzt werden: Das animal symbolicum spielt immer unmittelbar an der Grenze zum Unbedingten, eben auch dem Selbstbedingten und –gesetzten, indem offene Möglichkeitsräume und Handlungen symbolisch besetzt werden. Selbstkonstitution und symbolische Transzendenz sind dabei ein wechselwirksames System. Völlige Immersion kann dann entstehen, wenn durch bestimmte symbolische Operatoren das Subjekt selbst über–spielt wird. Das kreative Gestaltungsvermögen des Menschen, kann aus theologischer Perspektive, als Ausdruck eines anthropologischen Mangels verstanden werden — im kulturhistorisch greifbaren „Verlangen nach Figuration“ überspielt er seine Naturgebundenheit. So wie Apparate so tun, als ob sie dächten, agieren Menschen so, als ob sie nicht dächten. Zu den „Spielfaktoren beim künstlerischen Gestalten“ zählt Hans–Eckehard Bahr die Totalität der ästhetischen Erfahrung, die Gleichursprünglichkeit von künstlerischer Aktivität und Spielerfahrung, die innere Disposition, die Gelöstheit und die ekstatische Entschränkung des Menschen. Zwecks Kompensation, brachialer Natureinflüsse geschuldeter Risse und Mängel, wird Kultur als Über–Spielung, als Kittmittel, Spachtelmasse, Klebstoff etc. eingesetzt. „Je mehr dem Spielenden „seine ‚erspielten‘ Möglichkeiten selbst wieder nötig werden, muss er sie pflegen und brauchen, wird er aus dem Mitspieler wieder der Knecht seiner selbst inszenierten Notwendigkeiten. Aus dem Spiel mit den Möglichkeiten wird ihre exakte Beherrschung und der Mensch immer mehr zum Zwangsvollstrecker seines eigenen Spiels.“ Die Möglichkeiten, welche zur Freiheit führen können, sind gleichzeitig auch deren Schranken – dabei ist die bevorzugte Perspektive maßgebend. Na, und?

Bateson is undoubtedly correct in believing that the effects of the double bind on the child are particularly devastating. All the grown–up voices around him, beginning with those of the father and mother (voices which, in our society at least, speak for the culture with the force of established authority) exclaim in a variety of accents, “Imitate us!” “Imitate me!” “I bear the secret of life, of true being!” The more attentive the child is to these seductive words, and the more earnestly he responds to the suggestions emanating from all sides, the more devastating will be the eventual conflicts. The child possesses no perspective that will allow him to see things as they are. He has no basis for reasoned judgements, no means of foreseeing the metamorphosis of his model into a rival. This model‘s opposition reverberates in his mind like a terrible condemnation; he can only regard it as an act of excommunication. The future orientation of his desires—that is, the choice of his future models—will be significantly affected by the dichotomies of his childhood. In fact, these models will determine the shape of his personality.“

Alle Individuen, welche zum Spielen befähigt sind (und deren Tun als solches von Nicht–Spielern akzeptiert wird), können als Spieler gelten. All jene die Kunst produzieren (und deren Produkte als Kunst akzeptiert werden), können als Künstler gelten. Alle die an der Er–Zeugung von ›Kunst‹ beteiligt sind (inklusive der Position der Rezipienten), können als Autoren von ›Kunst‹ klassifiziert werden: Vergleichbar der zugewiesenen Rolle eines Spielers, welche eine unbewußte Teilnahme oder Entscheidung, hinsichtlich eines möglichen Spielmodells vorscheinen läßt, kann durchaus eine Fremdbestimmung entgegengesetzt zur Selbstdefinition vorgenommen werden.

Die ›Kunst‹ kommt hier nicht ausreichend zum Zug.

Zwischenfazit

Der Aspekt der Mimikry kommt nicht nur in Werken bildender und darstellender Kunst zum Vorschein, auch Spiele sind Abbilder eines Realitätskonsenses. Analytische, konzeptuelle oder performative Kunst tut so, als ob sie an der reinen Mechanik des Spiels interessiert wäre, an den logischen Verknüpfungen, den Operatoren, den Möglichkeiten — an der Artikulation einer konstruktiven Strategie, wie man sie in Werken von Arnold Schönberg, John Cage oder Marcel Duchamp angelegt, erkennen kann. Von der gestaltabhängigen Darstellung spielerischer Akte (etwa die von Pieter Breughel zum Beispiel), fand eine Entwicklung, zur gespielten Kunst (Gleichsetzung von Form und Inhalt, z.B. durch Konzepte der Fluxus–Performances, der Situationisten und MOD–er) statt. So als ob die Visualisierung nur noch starre Formsache wäre oder mechanische Fleißarbeit erforderte. Wozu sollten sich Künstler aktuell denn noch an den technischen Perfektionen von Apparaten messen wollen? Zumal diese in ihrer absoluten Abbildungsmacht, doch lediglich umgesetzten Ideologien entsprechen. So betrachten wir zum Beispiel eine monochrome Photographie, als „wahrer/echter“ als eine mehrfarbige, da sie unserer Vorstellung eines realistischen Bildes ganz nahe gekommen ist (der seit der Renaissance perfektionierten Konstruktion eines darstellbaren Raumes, eines errechenbaren Fluchtpunktes etc.), nicht weil sie qualitative Vorteile gegenüber anderen Medien in der Realitätsdarstellung hat. Darstellungen von Spielen in der Kunst (Kunstwerke die Spiele und Spielhandlungen mit künstlerischen Ausdrucksformen verbildlichen, aber keine strukturellen Ähnlichkeiten mit Spielen aufweisen) operieren auf der ersten Stufe der Referenz. Die zweite Stufe wäre die Selbstreferenz. Die Dritte Stufe, eine Mischung davon. Eine Überwindung von referenzieller Mimikry erzeugt automatisch eine Interferenz.

apropos

Spätestens seit der Gründung des ›Dada–ismus‹, sind Rezeptionsshorizonte selbstreferentieller Kunst, nicht (mehr) vornehmlich beschränkt auf die Darstellungen bildhafter oder symbolischer Stellvertreter selbstbezüglicher Systeme und deren Ästhetik, sondern das Prinzip und darüber hinaus die Darstellung des Wirkungsprinzips von Selbstreferentialität selbst, wurde selbstverständlicher Teil des Vokabulars, künstlerischer Produktion und ein genereller (und meist leicht auszuschließender) Verdachtsmoment im Gesamtgefüge: Künstlerpersönlichkeit, Œuvre, Ausstellungs– und Rezeptionskontext, Verhältnis Inhalt zu Form oder etwa, der zu alles relativierenden fähigen Betitelung des Kunstwerkes, im Sinne des omnipotenten „Aber …“. Wird der Rezeptionsprozeß selbst zum Inhalt der künstlerischen Erfahrung, werden Sinn und Bedeutung neu gestiftet und sind von den ethischen Einstellungen, den sozio–kulturellen Dispositionen bestimmt und davon abhängig. So können zu verschiedenen Epochen und von unterschiedlichen peer–Gruppen jeweils sehr bedeutende Sinnzusammenhänge konstruiert werden, um etwa einfach noch mehr Spaß während dieses Prozesses haben zu können. Kunst und Kultur wird als Ausfuhr eines ursprünglich triebgesteuerten Bedürfnisses, ergo als Bewußtmachung von vormals unbewußten Bedürfnissen verstanden. Doch was ist mit dem alten Inhalt, vor der Verlagerung? Fand hier eine Verdrängung statt? Von was?

Weisen

Ein generelles Verständnis der Diskrepanz, zwischen Äußerungen und Konsequenzen von Lebensentwürfen in artifiziellen Welten und in nicht solche, ist als Bedingung der Möglichkeit von Kunstproduktion und –rezeption anzusehen. Die Lust, welche in der reflexiven Haltung zu Vorstellungen und Illusionen, erwachsen kann, zeigt sich hyperbolisch in religiösen Übungen. Kann man hier von einer Notwendigkeit der Illusion sprechen, in letzter Konsequenz von notwendigem Selbstbetrug? Die Bereitschaft ein Teil der Aufführung zu werden ist dabei wesentlich und ambivalent, wird aber nicht explizit als Bestandteil fixiert. „They are playing a game. They are playing at not / playing a game. If I show them I see they are, I / shall break the rules and and they will punish me. / I must play their game, of not seeing I see the game.“ Wichtig bei der Reflexion über die Bedingungen eines erfolgreichen, verständlichen Hinweises oder eines Zeigens, ist die Unterscheidung von „Figur“ oder „Rolle“ und „Person“. Sind Fälle einer Kongruenz von beiden möglich? Erfüllen diese dann die Kriterien von ›Spiel‹ oder ›Kunst‹? Die perzeptionelle und psychologische Immersion, verschachtelte Stufen der Referenz, intendierte Abgrenzung und die Tendenz zu Totalitarismen, Versunken–Sein etc. lassen Parallelen zur flow–Theorie aufkommen.

Schleifen

›Spiel‹ kann als Ernstfall des strategischen Handelns definiert werden, so wie Werke der Kunst als referenzielle Abbildungsgefüge eines Realitätsmodells angesehen werden können. Die Vorstufe zur Kooperationsfähigkeit als Über–Lebensstrategie, könnte man in der Operationsfähigkeit als Lebensstrategie konstruiert sehen. Dies sind philosophische als auch ökonomische Debatten, denn verhaltensökonomisch betrachtet wäre das Ziel, größtmögliche Wirksamkeit, bei möglichst geringem Energieverbrauch — also vegetative Funktionalität. Das perfekte System ist ein sich selbst erhaltendes, quasi ein informiertes perpuetuum mobile mit unterhaltendem sowie interessierendem Suchtpotential. Iterierenden Denkhandlungen eignet das gleiche repetitive Moment, wie den Stereotypien der Körperbewegungen, oder die Ritualisierung bestimmter Handlungsabläufen an: Ihr Ziel ist es, den konzeptuellen Apparat durch Reduktion von Komplexität und Konzentration auf möglichst weniges zu entlasten und damit in der Energiebilanz des Wahrnehmungsapparates (schließt sowohl bewußte wie unbewußte Inhalte mit ein) effizienter zu operieren. Welches Fortbewegungsmittel ist günstiger und besser auf einer solchen Autobahn? „Betrachtet man die Grundbegriffe Bild, Apparat, Programm und Information, dann entdeckt man einen inneren Zusammenhang zwischen ihnen: Sie stehen alle auf dem Boden der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Bilder sind Flächen, über die das Auge kreist, um immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren zu können. Apparate sind Spielzeuge, die immer die gleichen Bewegungen wiederholen. Programme sind Spiele, die immer die gleichen Elemente kombinieren. Informationen sind unwahrscheinliche Zustände, die immer wieder aus der Tendenz zum Wahrscheinlicherwerden ausbrechen, um immer wieder in sie zurücktauchen. Kurz: Wir befinden uns mit diesen vier Grundbegriffen nicht mehr im historischen Kontext der Geraden, auf der sich nichts wiederholt und auf der alles Ursachen hat, um Folgen zu zeitigen; das Gebiet, auf dem wir uns befinden, ist nicht mehr mit kausalen, sondern nur noch mit funktionellen Erklärungen zu erschließen.“ Jetzt zählen Originalität und Qualität als Faktor von autonomer Kunst, nicht mehr (nur) die Kompetenz zur Nachahmung. ›Kunst‹ als auch ›Spiel‹ besitzt keinen Gegenstand (mehr), sondern hat [noch (mindestens)] eine Funktion. ›Spiel‹ steht als entkörperlichtes, virtuelles Handeln einer entkoppelten sozialen Verantwortung gegenüber, als reduzierte/simplifizierte Miniatur der Konsensrealität: Das heißt, man braucht ein zugrundeliegendes realistisches (oder veristisches) Modell, aus dem das Spiel, gemäß bestimmter Logiken beziehungsweise Mechanismen, destillliert werden kann. Mit „logisch“ ist gemeint: Der ganz gewöhnliche common sense, ein allgemeines, meist untheoretisch nachvollziehbares Urteil, ein Allgemeinplatz, ein Ort der Allgemeinheit, ein gemeiner Raum. Oder ist damit gar eine Form von Emphatie angesprochen, welche im Widerpsruch zu einer formalen Logik zu sein scheint?

Spiele und Kunstwerke werden als anthropologische Konstante mit Ursprung in der (unerschöpflichen) Deutung des Daseins gesehen – der Möglichkeit des Erkennens innerer Unendlichkeit. Bestünde die Möglichkeit, im Falle der Wiederholung, der Wiederkehr, sich im Spiel zu verbessern? Innerhalb welcher Grenzen kann was erlernt werden? Wenn etwas immer (bei jeder Wiederholung) gleich ist, was könnte man daraus lernen? Sind keine neuen Erkenntnisse möglich? Ständige Gleichförmigkeit erzeugt keinen Sinn; das ist un–sinnig. Mit welchem Gefährt erfährt man [sich (nochmal)] den besten Pfad?

Das Trainieren von Spielhandlungen setzt Wiederholbarkeit — den loop — und das Erkennen oder Definierens eines cue voraus. Es ist dem Erlernen einer neuen Arbeit (Routine) verwandt. Der loop, das wiederholende Moment des Kunstwerkes ist Symbol von zwanghaften und repetitiven, ehemals mythischen Strukturen: der loop als Zeiger des Kultischen, des rituellen hermetischen Betruges. Die wandelbaren Dimensionen des Spiels führen dazu, daß man immer wieder von vorn beginnt. Die Schleife (der loop) fungiert als zirkuläres Statussymbol des „perfekten Systems“ und dem Bild der inneren Unendlichkeit. Die Kugel, die Sphäre, das Loch als formelle Entsprechung des spielerischen Inhalts.

Zum Ludischen Kunstwerk

Das „Ludische“ (als kultureller Ausdruck) ist geprägt von einem Doppelcharakter: von Freiheit und Bindung einerseits, als auch von radikaler Freiheit und Ungeschütztheit (notwendig eingebunden in Bedeutungs– und Sinnzusammenhänge?) als fundamentales Konzept menschlicher Interaktion, andererseits.

Zeigen

Ähnlich der Transkription mittels Operatoren in der Aussagenlogik, kann das ›Spiel‹ als Abbild des formalen Baus der Realität angesehen werden. Das Verhältnis eines imaginierten und fabrizierten Artefaktes zu einem vergleichbaren natürlichen Objekt, steht auf der gleichen Referenzstufe, wie die Relation zwischen Spiel(modell) und Realität(skonstrukt). Die Nachahmungsstruktur — die Mimikry — scheint von der gleichursprünglichen Basis auszugehen und sich je nach Neigung, entweder zum ›Spiel‹ oder zur ›Kunst‹ auszuformulieren – die daraus gezogenen individuellen Konsequenzen für die persönliche Lebensplanung, sind jedoch mithilfe unterschiedlicher Argumente und ethischer Implikationen in weiteren Schritten aktiv zu verteidigen. Dies ist ein sehr praktisches Modell. Das Referenzsgespann im ›Spiel‹ umfaßt Ziel, Strategie, Rollenmodell etc. – in der ›Kunst‹ bestünde es aus Objekt, Referenzmodus, Rezipient und so Ähnlich. Daher referieren beide auf die selben fundamentalen Wahrheitsdiskurse, Simulationsmodelle, auf vergleichbare psychologische Muster, der Neigung zu selbst gestellten Aufgaben etc. als Resultat individueller (daher auch unverbindlicher?) Lebensentwürfe. Ähnlich dem Versuch, linguistische Strukturen auf ihren logischen Bau hin zu reduzieren und zu untersuchen, die inhaltlichen Aussagen von den individuell geformten sprachlichen Muster loszulösen, kann auch die Codierung der Welt zur Kunst oder als Spiel auf ein solches operatives Abbildungsmuster hinweisen.

Schollen

Dort wo post–religiöse Prothesen, verschüttete Triebe wieder konstruktiv zum Vorschein bringen, können sich anhand der momentanen Spielfelder die Kampfzonen der Zukunft etablieren. Markiert nicht das Ende der ›Kunst‹ die Fronten eines neuen Krieges? Ernst Lange formuliert programmatisch zu den Möglichkeiten des Spiels als Werkzeug der Transzendenz: „Menschen suchen nach ihrer Religion, weil sie nach Möglichkeiten des Spiels suchen. Sie brauchen das Spiel zum Leben. Spielend und nur spielend kommen wir den unerschöpften Möglichkeiten unseres Daseins auf die Spur. Spielend entdecken wir Alternativen zum gewohnten Verhalten, überschreiten wir die Grenzen unserer Alltagsrollen und probieren andere aus, testen wir Problemlösungen, die vom Üblichen abweichen. Das Spiel ist das Übungsfeld unserer Freiheit. […] Selbst die Bedingungen unseres heutigen Lebens, die Planung für morgen, ist Spiel, das Durchspielen alternativer Problemlösungen.“ Die äußeren Ränder künstlerischer Positionen – eben nicht normierte – sind in einem Kriegszustand. Es sind entzündliche Gebiete. Die sozial akzeptierten Möglichkeiten und Freiheiten von Spielen und von Kunstwerken, sind Abbild der Werthaftigkeit (und damit Anhaftung) der konditionierten Individuuen. Diese Werthaftigkeit ist von Außen oktroyiert (von manipulierenden oder selbst–unsicheren Metasystemen) oder gar selbstauferlegt und von der Konstitution der Akteure abhängig. „Unter der Herrschaft eines repressiven Ganzen läßt Freiheit sich in ein mächtiges Herrschaftsinstrument verwandeln. Der Spielraum, in dem das Individuum seine Auswahl treffen kann, ist für die Bestimmung des Grades menschlicher Freiheit nicht entscheidend, sondern was gewählt werden kann und was vom Individuum gewählt wird. Das Kriterium für freie Auswahl kann niemals ein absolutes sein, aber es ist auch nicht völlig relativ. Die freie Wahl der Herren schafft die Herren oder die Sklaven nicht ab. Freie Auswahl unter einer breiten Mannigfal- tigkeit von Gütern und Dienstleistungen bedeutet keine Freiheit, wenn diese Güter und Dienstleistungen die soziale Kontrolle über ein Leben von Mühe und Angst aufrechterhalten — das heißt die Entfremdung. Und die spontane Reproduktion aufgenötigter Bedürfnisse durch das Individuum stellt keine Autonomie her; sie bezeugt nur die Wirksamkeit der Kontrolle.“

Zunächst ist „Spielen“ oder „Künstlern“ eine persönliche Initialerfahrung, welche Denkmuster prinzipiell entschränken oder formieren kann. Als weiterer Schritt folgt das für das Kollektiv aufbereitete, demonstrative Durchexerzieren im kulturellen Gestus des Festlichen. Es kann auch als weitere Anleitung zum gesellschaftlich formatierten Problemlösungsverhalten dienen. Es findet also eine Funktionalisierung des ludischen Geschehens statt: die Möglichkeiten zum Ausloten von Freiheit, werden funktionalisiert und didaktisch genormt, an Verbraucher distribuiert.

entlastung

Das Behauptungsschema des „Als–Ob“, kann als basale Form der künstlerischen Betätigung nachempfunden werden, als Urform des Spiels: dem „Als–Ob“–Spiel, welches Illusions– und Rollenspiel zugleich sein kann. Doch sind nicht alle Spiele in ihrem Grunde (auch) Behauptungsspiele, so wie Kunstwerke Behauptungs– und Bezeugnisakte darstellen? Den Referenzen (Annäherungsversuche durch künstlerische Werke an die „Wirklichkeit“ oder Simulationen derer) haften stets Fehleranfälligkeit an, Unvollkommenheit, Eitelkeit etc. Als übersteigerte Form dieser illusorischen Absichtserklärungen, ergibt sich die Zentrierung auf das Darstellungs– und Wahrnehmungssystem wie von selbst. So wird das Modell auch zum Rivalen.

Das selbstreferentielle Kunstwerk kann als Form des Spielerischen definiert werden: Der Modus des Spielerischen im Kunstwerk läßt sich an der Mechanik der Selbstreferentialität erkennen. Es ist deshalb spielerisch (das rein mimetische übersteigend), da es mittels der Möglichkeit der Selbstbehauptung, eine weitere Rezeptionsebene ermöglicht, in deren sequentiellem Verlauf, die aktive Rolle des Zuschauers/Betrachters hermeneutisch erweitert und unverzichtbarer Teil des Kunstwerkes selbst werden lassen kann. „Das Werk ist […] offen, so wie eine Diskussion dies sein kann: die Lösung wird erwartet und erhofft, muß aber aus der bewußten Mitarbeit des Publikums hervorgehen.“ Konsequenterweise spricht man hier von einem spiralartigen „Fortschritt“ und nicht von einem „Zirkel“ in Bezug auf die Hermeneutik. Eine zirkuläre Hermeneutik wäre per definitionem in sich geschlossen und führte zu keinen neuen Erkenntnissen. Der Modus des Als–Ob, mit künstlerischen Intentionen erfahrbar gemacht, ermöglicht eine Art der temporären psychologischen Erleichterung: „Man wird von [] Räumen, ihrem Licht und/oder ihrem Ton, angezogen, tritt in sie ein, geht durch sie hindurch und verlässt sie schließlich wieder, das heißt, man kann Vor– und Rückschau halten auf eine räumlich und zeitlich eingegrenzte Situation. Nicht zuletzt deshalb kehrt [der Künstler] das Gebastelte so deutlich hervor: Die Installationen sollen als modellhafte Welten, als Situationen des Als–Ob kenntlich werden. Darin liegt ein entlastendes Moment, das deren Erfahrung von traumatischen Alltagserfahrungen abhebt und vielleicht als ästhetische Lust zu bezeichnen wäre.“ Der therapeutischer Aspekt des Spielens geht einher mit der katharsischen Wirkungsmacht von künstlerischen Produktionen und die potentielle transpersonelle Übertragung von Resultaten auf Nicht–Akteure. Die Re–Paraturen ermöglichen eine Rückkehr, ein erneutes Holen, ein Erholen sowie eine Aushöhlung und Beleerung.

mega–meta

Gibt es verschachtelte Spiele, ein Überspiel, welches alle Spiele übergreifende Regeln bietet? Im diesem Fall, ist das verschachtelte Spiel stets maximal an die Regeln des Metasystems gebunden und damit in einem permanent als defizitär und limitiert errechneten System, da nie der deckungsgleiche Zustand des daneben– oder darüberliegenden Systems mit allen seinen jeweiligen Möglichkeiten, erreicht werden kann. Dann gäbe es kein Unterscheidbarkeitskriterium mehr. Ähnlich Teilsprachen, welche als Segmente von übergeordneten Metasprachen, mit jeweils komplexeren und umfassenderen Regeln fungieren, können Spiele als strukturell ähnliche Ausschnitte oder Modelle, einer allgemein gültigen Realitätsfolie funktionieren.

Spieler müssen in der Lage sein, Fehler zu erkennen, damit ein mehr als zufälliges, also intentionales, Gewinnen möglich ist. Dann kann ein vertrautes, intimes Verhältnis entstehen, welches kontradiktorische Setzungen wie „Einmaligkeit“ sowie „Vergänglichkeit“ aufzulösen vermag. Wäre dies als Rätsel zu verstehen? Ein Spiel zu gewinnen (oder Genußempfinden als Resultat von Kunstproduktion) kann in einem einzigartigen Falle, das Produkt zufälliger Faktoren sein. So wie jemand zufällig, auch im Schlaf, die richtige Antwort auf eine komplexe Rechenaufgabe geben kann – es kommt auf die Wiederholung an, wollte man von sinnvoll von Bedeutung sprechen. Selbst die Schallplatte hat jedes Mal von Neuem Recht.

Bezüglich des Unterschieds zwischen Zweck und Sinn stellt sich folgende Frage: Sind Kunstwerke und Spiele angewandte Mittel, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen oder bis zu einem Grade mindestens Selbstzweck, haben ihren Telos in sich selbst? Natürlich sind sie nicht exklusive Portale zu einem außerhalb liegenden Zielsystem, sondern eine in sich ruhende (kontemplative, esoterische) Welt. Ziel oder Sinn mag es sein, die Vollständigkeit des Spiels zu erreichen, also im Grunde die Besetzung von Positionen mit funktionalen Parametern, ohne paradoxerweise individuell von einem gegenseitigen Sieg auszugehen. Das Risiko des „Nicht–Gewinnens“, beziehungsweise des nicht Erreichens (des eventuell anvisierten Ersten Platzes) bleibt bestehen. Es bleibt „Die Kunst zu scheitern“ (nicht das Gewinnen) zu lernen, Improvisation inbegriffen. Welche Konsequenzen implizieren ein Verständnis von „regulären“ Siegen/Niederlagen?

Hypothek

Selbstreflexive Formen von ›Spiel‹ und ›Kunst‹ können als eigenständiges exploratives, hypothetisches Gerüst angewendet werden, um trans– und interpersonelle Grenzüberschreitungen auf die Probe zu stellen. Die von den Massenmedien initiierte Illusion von Neutralität, verbunden mit der Wunschprägung des Begehrens, können unter dem Begriff des Fetisch subsummiert werden. Im Prinzip zeichnet das Kunstsystem Wunschbilder nach, die sich auf ein Haben–Wollen von Dingen fokussiert, deren vollständige Präsenz beim Betrachter aber nie erreicht werden kann. Diese Argumentation wird insofern deutlich, da Fetisch laut Sigmund Freud die Beschäftigung mit Gegenständen ist, die als Ersatz für etwas stehen, dessen Abwesenheit jemandem unerträglich ist. Spiele sind Bilder kultischer Handlungen, Kunst das Abbild spielerischer Akte — also eine zur Neutralisation führende Fetisch–Fetischisierung?

Die anthropologische Basis für Ästhetik, kann durchaus in freien oder vacant gewordenen menschlichen Räumen gesehen werden: Im Spielraum ergeben sich Transzendierungen des alltäglich Rationalen hin zum Symbolischen. Ein ästhetisches Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt ist notwendig.

Spiele als wichtigstes und aktuell potentestes kulturelles Genre (bezogen auf die Reichweite, den Verschleiß von Teilen, der Möglichkeit zur intrinsischen Konditionierung und Werteordnung), dürfen nicht trivialisiert oder als simple Metapher zur Analyse eines gänzlich fremden Gegenstandes werden. Kunstwerke sollen nicht mittels Spielen erklärt werden und Spiele sollen nicht als rudimentäre Kunstwerke postuliert werden, sondern der Ausgangspunkt sollte ein komplementärer sein.

Als einen kulminativen Schnittpunkt von ›Spiel‹ und ›Kunst‹, können moderne Gesellschaftsspiele, etwa Computer– und Videospiele betrachtet werden. Computierte Spiele sind jedoch dadurch von traditionellen Spielen unterschieden, daß sie ein umfangreiches Arsenal von vorproduzierten Inhalten (gespeicherte Audio– und Bilddaten, Text, vorformatierte Narrationsstränge, Grunddisposition des zu spielenden Charakters etc.) registriert haben, welches sie — entgegengesetzt zu „Nicht–Computer–Spielen“ — näher an ein ideales Untersuchungsobjekt bringen, nämlich annähernd an ein Werkstück bildender Kunst: Sie sind zusammengesetzte (sowohl vorproduzierte als auch simultan) errechnete Konstellationen. In Computer–Spielen findet ein Amalgam von fundamentalistischen Spielkonzeptionen statt, verbunden mit einem künstlerisch–ästhetischen Anspruch, welcher weit über die funktionelle Darstellung von Spielelementen hinausgeht. Computer–Spiele – oder hypothetischer gefaßt: Spielbare Kunstwerke, welche ihren Status als ›Kunst‹, aus den unterschiedlichsten Gründen zu verschleiern suchen. Sie fungieren als ein Brennpunkt, welcher nicht nur ästhetische sondern ebenso auch spieltheoretische Maximen in einem konkreten Volumen (Endprodukt: spielbares Werk) verschmilzt. Computer–Spiele sind spiel-bare Kunstwerke, welche ihre künstlerische Textur jedoch zugunsten des Spielerlebnisses verdecken müssen im Sinne eines under statements.

Das Spielen eines Spiels, wird mit dem Vorgang der Rezeption eines Kunstwerkes gleichgesetzt. So wie man eine Form des ›Spiel‹ immer wieder neu spielen kann, kann man auch Kunstwerke wiederholt konsumieren, ohne daß sich diese von Ihrer Essenz her, erschöpfen. Man kann sich zwar vom Spielen erschöpfen, die innerer Struktur des Spiel bleibt jedoch intakt und nutzt sich nicht ab — es gibt kein Verschleiß.

live!

Haben Kunstwerke die gleichen oder gar selben epistemologischen Potentiale wie Spiele dies bergen? Ja, denn man darf Ästhetik nicht einseitig betrachten: Gar un–sinnige, nicht funktionierende, häßliche, dysfunktionale Elemente, sind Teil einer einzigen Ästhetik, welche breit gefächert ist und sich nicht exklusiv auf „Schönheit“ beschränkt.

Die Erfahrungen, welche sowohl im Spielen, als auch in der Beschäftigung mit Kunst gewonnen werden können, zeigen sich als Grundmuster, als Prinzip des situativen Lernens, mit der Möglichkeit der live–Korrektur. Spieler brauchen genauso Vertrauen in die Korrektheit des Spiels, wie Rezipienten von Kunstwerken ebenso in die prinzipielle Funktionsfähigkeit und innere strukturelle Richtigkeit der wahrgenommenen Kunst. Spielanalyse kann als konkret performativer Akt, als pragmatische (entgegengesetzt zu einer abstrakt–akademischen) Analyse innerhalb eines dynamischen, regulär und direkt feedback–erzeugenden Spielgeschehens in Echt–Zeit, verstanden werden. Eine „Echt–Zeit–Hermeneutik“ (bezogen auf die Spielzeit „echt“, oder ist hier Spielzeit gleich äußerer Echtzeit?) Von der (halluzinierten und fremdbestimmten) In–Szenierung eines Akteurs zu der Vor–Stellung der Selbst–Inszenierung und der Maxime der wahren Lüge?

Dies gleicht der Etablierung einer gemeinsamen, zurückspiegelnden/beobachtender — und Beobachtung zulassender — dritten Instanz, welche durch das feedback nicht nur schubartig motiviert, enthemmt und pädagogische Erziehung leistet, sondern hermeneutisch sich zu ästhetisierteren Formen hochschaukelt. „Wer einmal Einblick in sein eigenes Wesen genommen hat, der bedarf keiner besonderen Haltung mehr als Form der Meditation; alles ist ihm gleich gut, Sitzen, Gehen, Liegen oder Stehen. Er erfreut sich vollkommener Freiheit des Geistes, er folgt seinen Regungen und hat doch nichts Unrechtes, er handelt stets in Übereinstimmung mit seinem Selbst–Wesen, sein Tun ist Spiel. Das nenne ich ‹Schau des eigenen Wesens›, und dieses Schauen geschieht ohne Zeitverzug, genau wie sein Tun, denn es gibt keine Übergänge zwischen dem Vorausgehenden und dem Folgenden.“ So funktioniert instant–Erleuchtung. Die Erzeugung von Bedeutung, ist im selben Moment, das Be–Zeugen dieser Behauptung. Die Möglichkeit der interaktiven live–Korrektur erfordert ein Wissen um den aktuellen (Zu–) Stand; Und dies ist alles andere als leicht. Als neue Maxime wird die Fähigkeit zu Improvisieren — in jeder Situation, nicht nur exklusiv in den als „zu improvisierenden“ Teilstücken auf die man sich gezielt vorbereiten könnte — ausgerufen. Rekursivität bedeutet non–sense; Nicht–Sinn ermöglicht keine neuen Erkenntnisse, entgegengesetzt zum Un–Sinn. Selbstbehauptung ist gleichzeitig Grund–legend und zweifelhaft zugleich, da es die Bedingung der Möglichkeit seiner Selbst, sich selbst und gleichzeitig durch diesen Akt, das System befragt. Der epistemische Zweifel der Rekursivität ist intrinsisch. Wann kommt nochmal der cue?

Die Transzendenz der Spieleridentität ist eine einfache, ersten Schrittes. Was, wenn es aus dem Spiel heraus möglich wäre, die Ebene zwischen Zuschauer und Spielakteuren selbst, mit den dem Spiel gegebenen Mitteln, aufzulösen und die Zuschauer ihres aktuellen Status gewahr werden zu lassen: als bedeutender und selbst kreativer Teil ihres vormaligen Spektakels? Zuerst wird individueller Sinn gestiftet und zugewiesen, dann versucht, genau dieser Sinn (kollektiv als Bedeutung) zu verwirklichen. Die Rolle des isolierten, un–beobachteten Spielers gab es nie. Immersion ist über die individuellen Grenzen (des Spielers und des Spiels) hinaus konfigurierbar und möglich. Das bloße Observieren oder Re–Kapitulieren eines Spiels oder einer Spielabfolge, ermöglicht keine Einsichten in die mentalen Interpretationen der Spielregeln, denn diese sind für einen externen Beobachter/Nicht–Spieler unerreichbar. Dies mag auch zur Magie des Spiels beitragen. Aus einer internen Spielersicht betrachtet, also konkret als teilnehmender Spieler, kann (oder kann nicht?) zwischen funktionalen und dekorativen Elementen unterschieden werden. Eine Selbsterkenntnis durch soziale Integration des Novizen (Spielers) läuft offenbar darauf hinaus, daß er als zeitlich und räumlich begrenztes Individuum vergeht. Er kann seine Position transzendieren und sich als nicht generalisierter Vertreter einer gemeinsamen Spezies erkennen. Seine Austauschbarkeit als auch seine Identität (Gemeinsamkeiten zu anderen) werden spielerisch erlernt und können als Denkmuster in der Metawelt appliziert werden.

Hat ein Spiel einen Spieler, bleibt es Spiel. Das „reine“ Spiel, die Mechanik ist die Schnittmenge zum Kunstwerk plus Rezipienten.

Ist ein Spiel ohne Spieler ein Kunstwerk?

›Spiel‹ und ›Kunst‹ repräsentieren die Schnittmenge kollektiver Figurationsprojektionen, dem Verlangen nach Figuration, nach struktureller Abbildung/Spiegelung von subjektiver Realität. Spielen schärfe, gegenüber der kruden Wirklichkeit, den Möglichkeitssinn, denn „Spielen erzeugt eine eigene Wirklichkeit: die der Möglichkeiten.“ Die Formulierung von Potential, ist das Resultat des Erkennens von Möglichkeiten. Sobald die Setzung vollzogen wird, die Lösung zur Aufgabe, könne selbst Teil des Spielzeugs werden, kann man von einem transzendierten Spiel mit dem Spiel sprechen. Falls man jemandem ein verpacktes Spielzeug zum Geschenk macht und diese Person gar nicht, zwischen ausgepacktem und verpacktem Zeug, unterscheiden kann und das komplette Paket als sein Spielzeug ansieht. Wie kann man etwas als Spielzeug erkennen und benutzen?

Ein weiteres Paradox findet sich in der Konstituierung des Spiels als zeitlich und räumlich beschränktes System einerseits und andererseits in dem Attribut der inneren Unendlichkeit (nach Hans Scheuerl) und der absoluten Autonomie. Diese esoterische Widersprüchlichkeit besitzt etwas Zauberhaftes und läßt somit einen Freiraum der kontinuierlichen Initiation zu. Diese Unschärfe und Diffusion jedoch, ist auch gleichzeitig reizend. „Innere Unendlichkeit“ ist nicht räumlich oder zeitlich definiert, sondern meint ein sich selbst perpetuell, rituell/liturgisch stabilisierendes Gefüge, eine interne „perfekte“ Logik. Spielmechanismen sind trotz aller Determiniertheit, stets bestimmt von einem Gedanken an ein magisches Potenzial, wie seit frühgeschichtlicher Zeit, Spielresultate als göttliche Willensbekundung interpretiert wurden, beziehungsweise das Spielen an sich, als Gotteslästerung moralisiert und durch kirchliche Institutionen zeitweise verboten wurde. Das Spielen von Göttern erfunden, um einen ganz bestimmten Gott (indirekt) zu lästern?

Welchen psychologischen Rezeptionszustand könnte man — vergleichbar dem Sieg im Spiel — dem Verwerten von ›Kunst‹ zusprechen? Wäre es die Erkenntnis der inneren Widerspruchlosigkeit und Stringenz? Das subjektive Empfinden von Schönheit und Glück im Wahrnehmungsprozeß? Das Gefühl von innerer Einheit, Kongruenz, So–Heit etc. ist ja auch ein Zustand, welcher sich einstellt, hat man mehrere Sprachen erlernt und zur Beherrschung gebracht. Vieles liegt identisch übereinander, doch es artikuliert in der jeweiligen Sprache, nur als Stück. Hier überlappen sich mentale Bilder, denn „… man besitzt das Glück weder im Gold noch im Schwein noch im Stein. Vieles kann einen glücklich machen; aber kein Gut macht einen glücklich in jeder Beziehung.“ Wie jedem Werkzeug spezifische Anwendungsmöglichkeiten einprogrammiert werden, ist auch der „Weg zum Glück“ stets kontextrelevant.

Was signalisiert das Phänomen des agressiven Ex–Spielers nach dem Spielende? Warum findet eine Übersetzung statt, von was? Sowohl die negative, als auch die positive Bestätigung, sind nicht übertragbar. Der durch den Gewinn erworbenen Art von „Überschuß“, wird eher die Möglichkeit der Übertragung oder der Investitionsfähigkeit zugesprochen; ein Verlust verdeckt Zusätzliches und man unterschätzt den negativen Wert des Ausfalls beziehungsweise Nicht–Gewinnens. „If desire is allowed its own bent, its mimetic nature will almost always lead it into a double bind. The unchanneled mimetic impulse hurls itself blindly against the obstacle of a conflicting desire. It invites its own rebuffs and these rebuffs will in turn strengthen the mimetic inclination. We have, then, a self–perpetuating process, constantly increasing in simplicity and fervor. Whenever the disciple borrows from his model what he believes to be the “true” object, he tries to possess that truth by desiring precisely what this model desires. Whenever he sees himself closest to the supreme goal, he comes into violent conflict with a rival. By a mental shortcut that is both eminently logical and self–defeating, he convinces himself that the violence itself is the most distinctive attribute of this supreme goal! Ever afterward, violence will invariably awaken desire …“

Das spielerische Kunstwerk ist ambivalent, offen, un–sinnig, rekursiv, sprung–haft etc. — es ist ein Werkzeug der Kalibrierung, ein Kompromiß im besten Falle, ein mittlerer Weg.

Als–Ob

Es wäre so einfach.

RESÜMÉE

The age of resemblance is drawing to a close. It is leaving noth­ing behind it but games. Games whose powers of enchantment grow out of the new kinship between resemblance and illusion; the chimeras of similitude loom up on all sides, but they are recognized as chimeras; it is the privileged age of trompe-l‘oeil painting, of the comic illusion, of the play that duplicates itself by representing another play, of the quid pro quo, of dreams and visions; it is the age of the deceiving senses; it is the age in which the poetic dimension of language is defined by metaphor, simile, and allegory. And it was also in the nature of things that the know­ledge of the sixteenth century should leave behind it the distorted memory of a muddled and disordered body of learning in which all the things in the world could be linked indiscriminately to men‘s experiences, tradi­tions, or credulities. From then on, the noble, rigorous, and restrictive figures of similitude were to be forgotten. And the signs that designated them were to be thought of as the fantasies and charms of a knowledge that had not yet attained the age of reason.“

optionen

Das Konzept, oder genauer die Mechanik des Spiels, birgt nützliche Ansatzpunkte für die parallele Betrachtung von Spielen und von Kunstwerken, als postindustrielle, liberalisierte und moralisierte Paradigma, einer allgegenwärtigen Zeitkultur. Insofern können Spezifizierungen von Spielen, als zukünftige, ästhetische und gesellschaftspolitische Gebiete unfreiwilliger Positionierungen betrachtet werden. Spiele können auch als politischer Widerstand gegen die herrschenden Prinzipien, als defensive — quasi negativ ontologische — Alternative zum Metasystem konzipiert und ausgeführt werden. Spiele und der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Spielgerüste, fungieren insofern als Repräsentationen eines codierten, ästhetischen und zugleich moralischen Weltbildes. Das latente Vorhandensein von Spielbereitschaft, wird als Material einer zu modellierenden utopischen Welt gebraucht. Um mit Rüdiger Safranski zu sprechen, sei das Ideal von Kunst und Ästhetik verschwunden, war bloß Utopie; Das Spiel als Charakteristikum unserer Gesellschaft bliebe. Spielaffine Tätigkeiten zeigen sich darin als ubiquitäre menschliche Grundhaltung. Das Phänomen ›Spiel‹ kann als kulturelle, aber auch als persönliche Konstante gesehen werden. Kunstwerke erzählen, treten in einen Dialog zunächst singulär im einzelnen Werk, sie spiegeln aber auch die Strömung künstlerischer Betätigung, als Repräsentanten einer revolvierenden Gattung wider. Dies ist ein Verweis, auf eine mögliche Linearität oder Raffination von Kunst, als ent–wickelte Form der kulturell zugespitzten Artikulation, als über–ludisches Genre.

Im Universum des hermetischen Spiels, können sich die Objekte aufgrund des endgültigen Intervalls wiederholen und können jeden möglichen Konfigurationszustand erreichen. Eine mögliche Konfiguration wäre die Verwirklichung des Spielerischen als ›Kunst‹. Im Ab–Tausch (loop) des Spiels, liegt eine implizite Selbstbehauptung und zudem eine schematische Ahnung, um die Wirkung einer solchen. Selbstbehauptung erfordert ein Wissen, um die Wirkungsmacht einer äußeren, dem ›Spiel‹ oder ›Kunst‹ fremden Umgebung und Klammerwelt. An der Wiederholbarkeit können Unterschiede festgemacht werden. Unterschiedlich in der Möglichkeit der Art der Wiederholung sind Spiele und Träume: während das „Spiel“ als Prinzip, die möglichst identische Ausgangsposition (von einem als „Noch–nicht–Spiel“ (start) gesetzten Beginn und seiner Wiederholbarkeit) ausweist, steht der Trauminhalt dieser Forderung nach Erneuerung durch Repetition entgegen und bleibt unwiederholbar.

In einem solch krass definierten Gefüge von Zweckbindung versus kreativem Impuls, von Regeln kontra Spielraum, Selbstregulation und Verantwortungsbewußtsein etc., ist die bewußte Reflexion von Widersprüchlichem, von Paradoxien und psychologischen Bedingtheiten von zentraler Bedeutung. „Hierin besteht das ursprüngliche Bindeglied (innerhalb des Universums von Herrschaft und Mangel) zwischen Wissenschaft, Kunst und Philosophie. Es ist das Bewußtsein der Diskrepanz zwischen dem Wirklichen und dem Möglichen, zwischen der erscheinenden und der authentischen Wahrheit sowie die Anstrengung, diese Diskrepanz zu begreifen und zu meistern.“ Das Dilemma des double–bind kann als essentieller logischer Bestandteil eines gelungenen und reizenden Spiels betrachtet werden. Alles (alle Akte und Handlungen) scheint als möglich, und „nur“ (lediglich) noch innerhalb der Spielmechanik zu realisieren (als konkretes Ergebnis einer ethischen Ent–Scheidung) — aber die Bedingung der Möglichkeit, läßt paralysiert zurück, reglos, inhaltsleer. Wenn „alles“ möglich scheint, wozu dann noch überhaupt „etwas“ als finales Ziel anstreben? Hier etabliert sich (nach der Analyse) auf zweiter Stufe Reglosigkeit und Paralyse, als Gradmesser der coolness. „Far from being restricted to a limited number of pathological cases, as American theoreticians suggest, the double bind — a contradictory double imperative, or rather a whole network of contradictory imperatives — is an extremely common phenomenon. In fact, it is so common that it might be said to form the basis of all human relationships.“

Status

Wäre es nicht interessant, in der Nebeneinanderstellung von Spielen und Kunstwerken, ein universalistisches Modell menschlichen Verhaltens in artifiziellen Welten zu sehen, anstatt ein singuläres Phänomen, welches sich auf eine einseitige Kosten–Nutzen–Rechnung reduzieren lassen könnte? Die potentielle Selbsterfahrung, die individuelle Bereitschaft zu Risiko, Experiment und Exploration, zu analytischem Verständnis von unbekannten Konstellationen, zur Überwindung und Erweiterung formals starrer Konventionen — allgemein zur Fähigkeit der Transzendenz, Dynamik aber auch Pragmatik — als hilfreiche Elemente betrachten? Je nach dem, was bevorzugt wird. Strategische Entscheidungen innerhalb eines Spiels verweisen auf philosophische Grundfragen: Ob der Mensch sich als ein ego–istisches oder altru–istisches Wesen begreift, auf die Fürsorge aller, oder (pragmatisch) auf sich selbst fokussiert und auf maximalen Eigennutz bedacht. Das Bedenken des eigenen Nutzens, setzt entweder eine erlernte Strategie (den Entwurf einer existenten Ordnung) oder Spontaneität voraus. Hier steht die individuelle Handlungsfähigkeit des Einzelnen gegenüber der Laisser–(nous)–faire–Einstellung, welche das Gesamtgefüge selbst zu regeln scheint. Könnte ein persönlicher Sieg etwa auch transpersonell auf andere Unbeteiligte übertragen werden, oder ist dieser Status nicht loslösbar und als eigenständiger Wert verhandelbar? Ist eine Schenkung von Status denkbar?

Im Sinne ihrer Referenz, können Spiele vielleicht in ihrem Verhältnis so zur Wirklichkeit gesehen werden, wie dies Bilder innerhalb von Sprache sind. „Die Form der Spielfigur entspricht hier dem Klang, oder der Gestalt eines Wortes.“ (Wittgenstein) Als referentielles Produkt, entsteht die Konstellation eines non-sense, eines in Un–Sinn übersteigerten Sinns. Vergleichbar eines Agnostikers, bedarf es etwas, welches negiert werden kann und daher konsequenterweise, in irgendeiner Weise als existent, vorausgesetzt werden muß. Als gegenteilig zur Referenz könnte man die Autarkie setzen. Kann ein Zustand vorgestellt werden, welcher über die Referenz zur Autarkie gekommen ist? Die referentiellen Möglichkeiten der Abbildung (in ›Spiel‹ und ›Kunst‹ gleichermaßen) können in einen Modus „leichter“ Autonomie überführt werden – dabei findet eine Ersetzung des Referierten, durch den Referenten statt. Die Kultivierung ist tatsächlich eine Beackerung der Grundlagen, sie ist ein Anbau, welcher sich selbst zu beherrschen versucht: eine simulierte Autokratie?

Fortsetzung gegenüber

Selbstreferentialität kann man anhand folgender Merkmale relativ leicht bemerken: Die Handlungen sind sich–selbst–vergewissernd, selbst–bezeugend sowie berechtigend und schaffen damit die Legitimation ihrer selbst zirkelhaft. (Scheinbar kommt man an „Handlungen“ oder „Akten“ – weder im Spiel noch in der Kunst – vorbei.) Alle Funktionen und alle Mögliche Konstellationen sind „einfach“ „wahr“.

Das Wissen um die Erscheinung, im Modus des „Als–Ob“, ist für die Rezeption und die Empathie entscheidend, als auch für die Akzeptanz und Integration innerhalb des eigenen Wertesystems. „Der Wandel von einer distanzierten, kontemplierenden Beziehung zwischen Werk und Betrachter zur aktiven Beteiligung des Betrachters am Werkprozess dynamisiert sich in den 60er Jahren in einer Weise, die den jeweiligen Rezeptionsprozess zu weilen zum eigentlichen Inhalt des Kunstwerks avancieren lässt. Die künstlerische Bedeutungsstiftung subjektiviert und performativiert sich, indem sie sich von ihren konkreten Umständen und Verläufen weder ablösen kann noch will.“ Spielt in dieser Entwicklung, die mögliche Zen–Buddhistische Beinflussung vieler nord–amerikanischer Performance, Fluxus– und Konzeptkünstler dieser Epoche, eine tragende Rolle? Kritiken finden zumeist Reiz und Gefallen an den offerierten Möglichkeiten des Verlagerns von Konzepten, dem stets ersehnten ›shift of …‹ — ist es doch ihre Chance zur Mitsprache und Mitwirkung. Ein gut gefülltes Lager, welches von einer Kompetenzinstanz, in die andere argumentativ übertragen werden soll. Die Berücksichtigung der Rezeptionsbedingungen und Möglichkeiten auf Seiten eines Betrachters, kann (spätestens seit Ende der 1960er Jahre) als formaler Faktor der Narration und als Teil des Kanons, künstlerischer Produktion betrachtet werden. „Der Künstler, so kann man sagen, bietet dem Interpretierenden ein zu vollendendes Werk: er weiß nicht genau, auf welche Weise das Werk zu Ende geführt werden kann, aber er weiß, daß das zu Ende geführte Werk immer noch sein Werk, nicht ein anderes sein wird, und daß am Ende des interpretativen Dialogs eine Form sich konkretisiert haben wird, die seine Form ist, auch wenn sie von einem anderen in einer Weise organisiert worden ist, die er nicht vorhersehen konnte.“ Flusser hätte den Dialog gern anders gesehen: Für ihn ist er, trotz seiner Wortabstammung und Zusammensetzung, ein einkanaliges Kommunikationsmedium — ein Diskurs wäre angebrachter.

Werden Menschen durch ›Kunst‹ in ihrem Urteil konditioniert, sind sie dazu fähig, ästhetischer zu spielen; Durchlaufen sie eine Spielkonditionierung, wären sie im Rückschluß auch besser befähigt, einen offeneren Zugang zu Kunstwerken zu entwickeln und nicht nur deren ästhetische Oberfläche zu genießen, sondern auch Spaß am Nachverfolgen darunterliegender logischer Funktionsstrukturen zu entwickeln. Und ab hier ist alles Djungel, hier ist alles neu, es ist irgendwie auch egal, was für eine ›Kunst‹ man konsumiert. „Möglicherweise ist einer der Charakterzüge des Exoten die Freiheit: die Freiheit gegenüber dem Objekt, das er beschreibt oder empfindet, jedenfalls in einer letzten Phase, wenn er sich ihnen entzogen hat.“

Chancen

Hinsichtlich des Antagonismus‘ von Genußempfinden und Rationalität (welcher auch Ausdruck eines klassischen double–bind sein kann), läßt sich Herbert Marcuse folgendermaßen zitieren: „Angewandt auf die Gesellschaft, ist die Vernunft bislang der Kunst entgegengesetzt gewesen, während der Kunst das Vorrecht eingeräumt wurde, einigermaßen irrational zu sein — wissenschaftlicher, technologischer und operationeller Vernunft nicht unterworfen. Die Rationalität der Herrschaft hat die Vernunft der Wissenschaft von der der Kunst getrennt; anders ausgedrückt, sie hat die Vernunft der Kunst verfälscht, indem sie diese in das Universum der Herrschaft eingliederte. Es handelte sich hier um eine Trennung, weil die Wissenschaft seit Anbeginn die ästhetische Vernunft enthielt, das freie Spiel und selbst den Übermut der Einbildungskraft, die Phantasie der Umgestaltung; die Wissenschaft gab sich der vernünftigen Erklärung der Möglichkeiten hin. Dieses freie Spiel blieb jedoch der herrschenden Unfreiheit verpflichtet, in der es entstand und von der es abstrahierte; die Möglichkeiten, mit denen die Wissenschaft spielte, waren auch die der Befreiung — die einer höheren Wahrheit.“ Kunstwerke haben ihre ontologische Stützkraft eingebüßt und werden in ihrer Ernsthaftigkeit von verwisschaftlichten Analysen völlig überstrahlt. Wissenschaftliche Spezialitäten sind aber nur von einem engen Zirkel von in–sidern in ihrer vollen Bedeutung zugänglich (geschweige denn verständlich) und landen verzerrt, reduziert, demagogisiert etc. im Alltag der Menschen. „Wo die Theologen des Spiels anthropologisch von ‚Spiel‘ reden, meinen sie nicht unfrei machendes ‚Spiel‘, durch das sich Menschen gegenseitig terrorisieren (…), nicht das ‚freie Spiel der Kräfte‘ in der sogenannten freien Marktwirtschaft, nicht das abgekartete Spiel der Diplomatie des kalten Krieges, sondern kreatives, phantasievolles, freies, oft zweckloses Spiel. Sie meinen also weniger das Regel– und Kampfspiel (game) als die phantastische, phantasievolle, oft verspielte Überschreitung all dessen, was sich freudlos eingespielt und arrangiert hat (play); sie suchen im Spiel den Vorstoß in Glück und Freiheit.“

Der streng logischen Kozeption des Problemlösens (Vernunft) kann auch ein subjektivierter Zugang (in Form von Glück) gegenübergestellt werden: „Jeder Weg ist nur ein Weg, und es ist kein Verstoß gegen sich selbst oder andere, ihn aufzugeben, wenn dein Herz es dir befiehlt. . . Sieh dir jeden Weg scharf und genau an. Versuche ihn so oft wie nötig. Dann frage dich, nur dich allein: . . . Ist es ein Weg mit Herz? Wenn ja, dann ist es ein guter Weg; wenn nicht, ist er nutzlos.“ Dieser ultra–egoistische Rat ist weder veri– noch falsifizierbar da fraglich bleibt, inwieweit eine Entscheidung intersubjektiv beweisbar oder nachprüfbar wäre. Die Willensäußerung der Herzinstanz zeigt bereits eine weitere Codierung an: Das Herz ist die persönliche Instanz für beliebig Einsetzbares; auch eine Instanz dritten Grades. „Das bewußte Spiel mit phantastischen Möglichkeiten, die Fähigkeit, mit gutem Gewissen zu handeln, contra naturam, mit Menschen und Dingen zu experimentieren, Illusionen in Wirklichkeit zu verwandeln und Erdichtetes in Wahrheit, bezeugen das Ausmaß, in dem die Einbildungskraft ein Instrument des Fortschritts geworden ist. Ein Instrument freilich, das, wie andere Instrumente in den bestehenden Gesellschaften, methodisch mißbraucht wird. Indem sie Schrittmacher der Politik wird und deren Stil bestimmt, geht die Einbildungskraft im Umgang mit den Worten weit über Alice in Wonderland hinaus und verkehrt Sinn in Unsinn, Unsinn in Sinn.“

Zum Beispiel

Ein Beispiel für ein selbstreferentielles Spiel wäre eins, welches durch seine Regeln den Spieler dazu befähigte, etwas an sich selbst zu bewirken, an ihm anzugreifen, wie mit einem Hebel. Also: Wenn das Schachspiel etwa den Zug erlauben würde, mit einer bestimmten Figur, den ausführenden Spieler außerhalb des Spielfeldes in seinen Handlungsfähigkeiten, seiner Strategie und seiner Kompetenz dem Spiel gegenüber, zu beeinflussen. Kann die Pose im ›Spiel‹ zur Haltung (der Person) beitragen? Diese Art der Reflexion und der Transzendenz kann nur durch einen überreferentiellen Akt erreicht werden – welcher ein sehr praktischer sei. Wenn Mimikry hyper–bolisch übersteigert zur Selbstbehauptung im vollziehenden Akt wird, kann keine Unterscheidung mehr zwischen Werk–Zeug und Werk, Zuschauer und Akteur, Objekt und Reflexion, etc. — Finger und Mond gezogen werden.

Was für eine Art von Ahmung wird benötigt um im ästhetischen Genuß eine kritische Haltung ausdrücken zu können? Ist der ästhetische Zustand als Archetyp des reflexiven, kritischen Urteilens und Denkens zu verstehen, wie Kant ihn sich sehr anschaulich und kritisch zugleich vorstellte? Der Modus der Betrachtung (Kontemplation meint Gleich–Zeitigkeit) ist in der ästhetischen Erfahrung (bis zu/auch) selbst–reflexiv eingeschlossen. Erarbeitet ein Mechanismus die Grundlage der Wahrheitswerte seiner zukünftigen Aussagen/Handlungen/Akte, durch Iteration, Schicht für Schicht, (sukzessive im Modus eines gekrümmten Bogens) sich selbst, sind sämtliche Aussagen, völlig richtig und können zur Vervollständigung und Selbstreife hinzugenommen werden. Fehler kann es nicht mehr geben, da jede Abbildung/Reflektion/Metaebene im selben Moment systematisch inkorporiert wird und der Moment der Nachprüfung eine weitere sinn–volle Schicht/Hülle additiv hinzufügt. Wenn aber alle Aussagen in jedem Fall richtig sind, sind sie es auch wieder automatisch nicht. Das System ist aufgrund seiner Rekursivität in dem Sinne perfekt, als es zirkulär ist. Es erlaubt scheinbar keine induktiven Erkenntniszüge mehr. Nur noch ein Hin–Und–Her, ein Schwanken.Eine Verwertungskette wird etabliert, welche zyklisch re–cyclen kann. Abfall und ab–fällige, überschüssige Elemente können funktionalisiert und mit Konnotation/Sinn/Wert versehen werden. Diese Erkenntnisdimension ist von bestimmten Interessen befreit und zu einem Abbild allgemeiner Mitteilungsmöglichkeiten und Pflichten geworden. Dem investigativen Kapital im traditionellen Sinne, entsprechen die Möglichkeiten, die aus der Betrachtung/Analyse des Materials entstehen.

Eine Schlacht ist wie eine De–Konstruktion: Man muß wissen, was im Schwein d‘rin steckt.

Sind wir nicht alle Schweine — zumindest jeder für die jeweils anderen? Viel Glück!

Das sich selbst behauptende Kunstwerk entspricht einem Auflösungsverfahren: damit fragt es nach Bedingungen der Dis–solution, Re–solution, der Anmaßung und Verhältnismäßigkeit. Je genauer die Definition werden will, desto deutlicher schabt sich/zeigt sich/modelliert sich das archetypische Muster des Systems heraus und zeigt sich generativ. Das Zeigen er–zeugt stets neue ur–sprüngliche Bilder. Die Veränderung ist gerade nicht digital, sie verläuft nicht ungerade in Schritten oder Sprüngen, sie ist diskret und über–flüssig, ein–schleichend–er Prozeß. Es ist durchaus einiges an Einbildungskraft seitens des Rezipienten benötigt, denn verständliche, logische Elemente, spielen mit un–sinnigen, wert–losen Elementen und gehen in dieser wechselseitigen Beziehung, einer gewissen Erkenntnis voraus. Auch dieser muß ein in–sider sein.

Übersteigt ›Spiel‹ die erste Stufe der Referenz und wird selbstreferentiell, verweist auf die Grundbedingungen seiner selbst, so greift es in die Materie des Spielerischen ein: Es ist ein struktureller Eingriff, vergleichbar mit der Untersuchung eines architektonischen Gerüstes und seines Bauplanes – welche durchaus voneinander differieren können. Wird Kunst selbstreferentiell und ignoriert dabei objektbezogene Referenz, so bezieht sich solche Kunst, nicht mehr auf die Chiffrierung von (räumlich und zeitlich) ausgedehnten Dingen, im Sinne des von Kant hinterlassenen Modells, sondern auf die grundlegenden Möglichkeiten und Beschränkungen von Abbildungen und Mimikry, mittels Kulturobjekte im Allgemeinen. Selbstreferenzielle Kunst bezieht sich somit auf ein bereits etabliertes Referenzsystem und benutzt den Modus der Abbildbarkeit um dieses System an sich, als Stilmittel anwenden zu können.

Durch den Modus des „Als–Ob“ wird das Material und deren Struktur sichtbar und erfahrbar. Der Akt/die Bewegung/die Bahn der freien Immersion selbst, erzeugt systembedingt wellenartig/schwunghaft Bilder ähnlicher Struktur/Muster. Ab einer bestimmten Stelle (Point of no Return) ist das Ursprungsmaterial überwunden/transzendiert und irrelevant in seiner Möglichkeit, neue interessierende Konstellationen hervorzubringen. Die Stufe des nächsten (und damit auch die Frage der Wichtigkeit und Signifikanz des letzen Schrittes/)Niveaus wird irrelevant/nichtig. Jegliches Eingreifen, welches reine Beobachtung übersteigt, jedes Nachprüfen, der Drang nach Sicherheit durch positive Verifikation etc., erzeugt ein zufällig und durch die Möglichkeiten/Mittel des darstellenden Mediums begrenztes/erlaubendes, unwiederbringbares Echo. Das metaphysische Eingreifen erzeugt ein feedback in der Welt des Dargestellten und eben Erzeugten. Es ist eine Form der Selbstähnlichkeit. Wenn das Grundrauschen der Selbstreferenz zur gestalterischen Wirkung kommt, könnte man von ›spiel/kunst‹ oder einer Form von ludischem Kunstwerk sprechen, welches erst im Akt des Vorführens und Verweisens, Zeigens etc. entstehen kann. Sind Reflexion und Aktion das Selbe? Wenn nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht? Das wäre ein schöner Gedanke. Wäre ein Erzeugen von Materialität durch Überwindung der darstellenden Instanz, leicht möglich? Wenn Liturgie das Spiel im religiösen Modus ist, dann ist dasjenige Kunstwerk eine Ikone, welches von sich selbst abstrahieren kann.

What an interesting finger / let me suck it / / It‘s not an interesting finger / take it away [Seitenumbruch] The statement is pointless / The finger is speechless“

spass

Die Grundlage dieser Arbeit ist unbewußt. Weil die Ur–Sachen in den Wörtern und Begriffen schlummern, schlafen sie auch in unserem Gebrauch und geben dem Denken dadurch Form. Ein atomarer Kampf, eine individuelle Schlacht. Automatisierte Produktion, zusätzlich auch ein Diktat. Für diese Arbeit wurden die Wörter zurecht gelegt. Dies wäre eine Art der Anordnung, eine Schleife … geschliffenes Zeug. Der Text ist Zeuge einer harmlosen Selbstbezüglichkeit, des Profils wegen strategisch angewandt, im Gewand eines Anzuges.

Vielleicht ist jetzt etwas besser eingespielt.

They are not having fun. / I can‘t have fun if they don‘t. / If I get them to have fun, then I can have fun with them. / Getting them to have fun, is not fun. It is hard work. / I might get fun out of finding out why the‘re not. / I‘m not supposed to get fun out of working out why / they‘re not. / But there is even some fun in pretending to them I‘m not / having fun finding out why they‘re not.“

Es läßt sich festhalten, daß der Versuch, die faktische Ambiguität der Begriffe ›Spiel‹ und ›Kunst‹ argumentativ–taktisch einzubinden, jeweils nur partiell gelingen konnte. Dies aber mehrmals, es gab zahlreiche Wiederholungen, vieles wurde mit anderen Worten so ähnlich formuliert. Die Staffelung und Ordnung der Argumentation bediente sich hierbei eines Bei–Spiels. Die Gliederung der Arbeit entspricht einer zunächst inhaltlichen Steigerung, im Sinne einer sprachlichen Konkretisierung oder hypothetischen Zuspitzung mittels abstrahierter Begriffe. Über die Grundkonstellation des Vor–Spiels, einem quasi in limbo gehaltenen, kultisch–mystisch geprägten Umfeld, dem Spielerischen, ludischen, dem play, über die Paarung ›spiel/kunst‹, sollte diese Arbeit mit der Konstruktion des Amalgams eines ludischen Kunstwerkes enden. Die Benützung von ausschmückenden Fremdwörtern, enthält um ihrer selbst Willen und als Selbstzweck, sprachgeschichtliche Hilfsmittel, welche als gedankliche Stützen herhalten können.

Har noch!

Nur wo das Spiel sich seines immanenten Zwangs zur Wiederholung entsagt, wo es sich auch seiner eigenen Spielregeln entledigt, wo es diese im Spiel mit dem Spiel auch bricht, kann es dieser Dialektik entrinnen und baut im spielerischen Realitätsumgang Selbstverfügung in der Inszenierung des ästhetischen Scheins nicht nur auf, sondern erhält sie als Poiesis im Spiel“ Wir müssen nicht die Regeln brechen, um das Spiel zu gewinnen, sondern dort spielen, wo (noch) niemand (mehr) regiert. Dort kann Selbstbeherrschung praktiziert werden. Wo bitte ist hier die Belohnung versteckt? Lohn für was?

Unsere Kultur (als Vorstufe unserer Kunst) ist nicht mit den Früchten und Blüten, einer etwa veredelten Pflanze, zu vergleichen; Sie ist lediglich der von Menschen zu beackernde Boden, das Möglichkeitsfeld, die Grundlage derjenigen Dinge, die man zum Leben braucht.

Auch diese Arbeit wurde hemdsärmelig am Küchentisch gemacht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert